Kündigungsschutz Clement geht auf's Ganze

Bundeswirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement hat sein politisches Schicksal indirekt an die umstrittenen Reform des Kündigungsschutzes geknüpft. "Ich werde ein Scheitern nicht in Kauf nehmen", sagte er.

Wolfgang Clement geht aufs Ganze. Vor gut einem Monat löste der Wirtschafts- und Arbeitsminister (SPD) mit seinem Vorstoß zur Lockerung des Kündigungsschutzes in Kleinbetrieben eine heftige Debatte auch in den eigenen Reihen aus. Neben den Gewerkschaften lehnten besonders der Arbeitnehmerflügel der SPD und zuletzt auch die Grünen-Spitze Clements Ansinnen strikt ab. Nun macht der Minister von der rot-grünen Zustimmung zu dieser Arbeitsmarkt- Reform seine eigene berufliche Zukunft abhängig. Und die der Regierungskoalition.

"Ich werde ein Scheitern nicht in Kauf nehmen"

Folgten SPD und Grüne seinen Vorschlägen nicht, «dann werden wir an diesem Punkt scheitern. Und dann werde ich scheitern. Ich werde ein Scheitern nicht in Kauf nehmen», sagte Clement am Sonntag in der ZDF-Sendung «halb 12». Das klingt fast wie eine Rücktrittsdrohung. Der einst als «Superminister» im Kabinett von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gefeierte Clement selbst schwieg sich zu möglichen Konsequenzen am Wochenende allerdings aus. Auch aus seinem Ministerium gab es dazu keine Stellungnahme.

"Heilige Kuh" Kündigungsschutz

Aus Clements Sicht behindert der strenge Kündigungsschutz in Betrieben ab sechs Mitarbeitern dringend notwendige Einstellungen im Mittelstand. Damit erntete der Minister Beifall von Arbeitgeberseite, Union und FDP. Ein Allheilmittel für eine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt sieht Clement in einer gelockerten Regelung freilich nicht. Für ihn ist sie aber ein Symbol für die Reformfähigkeit im Land. Für Gewerkschaften und viele SPD-Genossen ist der Kündigungsschutz dagegen eine heilige Kuh, die nicht auf dem «Altar des Neoliberalismus» geopfert werden darf.

Stichwort: Kündigungsschutz

Der Schutz der Arbeitnehmer vor Kündigungen durch ihren Arbeitgeber ist von der rot-grünen Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode in zwei wesentlichen Bereichen ausgeweitet worden. Zum 1. Januar 1999 stellte der Gesetzgeber den vollen Kündigungsschutz für alle Arbeitnehmer in Betrieben mit fünf und mehr Mitarbeitern wieder her.

Damit wurde eine 1996 von CDU/CSU und FDP beschlossene Regelung zurückgenommen, nach der Kleinbetriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern nicht mehr unter die Bestimmungen des Kündigungsschutzes fielen. Bei Arbeitnehmern, denen aus betriebsbedingten Gründen gekündigt werden sollte, mussten zudem wieder alle wichtigen sozialen Gesichtspunkte geprüft werden. Seit dem 1. Mai 2000 sind Kündigungen durch Arbeitgeber oder Arbeitnehmer nur dann rechtswirksam, wenn sie schriftlich erklärt werden.

SPD-Fraktionschef Franz Müntefering, selbst Gewerkschaftsmitglied, kann mit Clements Vorstoß denn auch kaum etwas anfangen. Sein Credo: «Was Kündigungsschutz und Flächentarife angeht, ist es gut, dass wir das haben in Deutschland.» Für das sozialdemokratische Urgestein ist die SPD in erster Linie immer noch die Partei der Arbeitnehmer. Auch SPD-Generalsekretär Olaf Scholz hält Clements Vorschlag für wenig sinnvoll. Nach Meinung vieler seiner Parteifreunde reichen die im Rahmen der Hartz-Reform beschlossenen Maßnahmen bereits aus. Sie sehen etwa in den Regelungen zur Leiharbeit oder den erweiterten Möglichkeiten befristeter Einstellungen gute Alternativen zu einem Abbau des Kündigungsschutzes.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Grüne uneins

Doch auch die Grünen sind uneins über eine solche Reform. Erst am Samstag sprachen sich die Parteivorsitzenden Reinhard Bütikofer und Angelika Beer übereinstimmend gegen eine Lockerung des Kündigungsschutzes aus. Bisher sei nicht nachgewiesen, dass höhere Grenzen für den Kündigungsschutz Arbeitsplätze bringen. Damit stehen beide im Gegensatz zu den Grünen-Arbeitsmarktexperten Thea Dückert und Fritz Kuhn.

Kanzler Schröder hält sich bei dem Thema merklich zurück. Es scheint, als habe er seinen «Minenhund» Clement - wie schon bei dessen umstrittenen Vorstößen zum Ladenschluss oder zu den Hartz- Gesetzen - wieder einmal vorgeschickt, um die Lage auszuloten. Seit seine Anregung, die Arbeitgeber sollten im Gegenzug für eine Lockerung mehr Jobs garantieren, auf wenig Gegenliebe stieß, regiert bei Schröder die Vorsicht.

Doch dieses Mal will sich der «Minenhund» Clement nicht wie ein räudiger Köter wegscheuchen lassen. «Wenn wir es nicht fertig brächten, die wichtigsten Entscheidungen in diesem Jahr auf den Weg zu bringen und im wesentlichen abzuschließen, würden wir die Regierungsfähigkeit aufs Spiel setzen», sagte er am Sonntag. Ein Spiel mit hohem Einsatz - auch für Clement.