Es hätte ja so schön werden können gestern abend im ZDF. Thema: Sozialismus gegen Kapitalismus. Im Ring: Friedrich Merz (CDU) gegen Oskar Lafontaine (Die Linke). Schiedsrichter: Maybritt Illner. Aber was passiert? Nix. Zwei Herren gesetzten Alters schwadronieren gesittet, wenn auch im Eiltempo flugs mal um den Globus und den dort ansässigen Kapitalismus. Das wars. Und das Schlimmste: Sie lassen einander sogar ausreden.
Die Bankenkrise, scheint es, macht inzwischen gähnen, seit die Deutsche Bank nicht pleite gegangen ist, sondern am Donnerstag sogar einen bescheidenen Gewinn ausgewiesen hat, was mit einem Kurssprung von 16 Prozent honoriert wurde. Selbst unser derzeit schönster Buhmann blieb bei Maybritt Illner verschont. Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann wurde nur ein einziges Mal erwähnt. Dies ohne den üblichen Zusatz, er sei ein Gangster.
"Finanzkapitalismus hat sich erledigt"
Auf Illners bohrende Frage: "Kann man den Kapitalismus zähmen?" entscheidet Lafontaine: "Der Finanzkapitalismus hat sich erledigt." Das ist ein verwegener Satz, weil auch Lafontaine weiß, dass ein weltweit vernetztes Bankensystem eine Planwirtschaft nicht mehr zulässt. Weil aber an dieser Stelle immer geklatscht wird, bleibt der Satz so stehen. Anschließend sind sich die Herren Merz und Lafontaine einig, dass die Banken verpflichtet werden müssten, die rettende Staatsknete anzunehmen, um ihre Eigenkapitalquote zu erhöhen und somit auf solideren Füßen zu stehen.
Dabei ist doch, dies zum Trost, alles schon mal dagewesen. Erinnert sich noch einer? Wir hatten ja nicht nur die in letzter Zeit häufig strapazierte Weltwirtschaftskrise von 1929, wo sich New Yorker Börsianer a) aus dem Fenster gestürzt oder b) stilvoll am Schreibtisch erschossen haben, weil in zwei Stunden elf Milliarden Dollar futsch waren.
"Kapital"-Bände wieder eingemottet
Wir hatten auch die Dollar-Krise von 1973, die Ölkrise von 1974, die Börsen- und Asienkrise von 1987, und die Dotcom-Krise ist grade einmal acht Jahre her. Alles schon vergessen? Und nun haben wir eben die Immobilien- und Finanzkrise. In jeder Krise riefen die Oskars dieser Welt freudig das Ende des Kapitalismus aus; Karl Marx erfuhr mannigfaltige Neuauflagen, und als dann schwupps die Krise vorbei war, wurden die fetten blauen "Kapital"- Bände wieder ganz unten im Regal eingemottet. Und so hatte denn Friedrich Merz recht mit seinem Satz: "Keine Panik. Wir werden in fünf Jahren die nächste Krise haben. Oder in zehn Jahren". Stimmt. Statistisch war das immer so.
Das Publikum verteilt gleichmäßig höflichen Applaus. Das liegt daran, dass nur zehn Prozent aller Deutschen Aktien haben. Die restlichen neunzig Prozent können sich gemütlich zurücklehnen und sachte wegnicken, als sie gegen Ende der Sendung bombardiert werden mit Fachbegriffen wie Verbriefungen-Shortpapiere-IKB-KfW-Hedgefonds-Kalte-Progression-Basel II. Dann fordert Lafontaine noch schnell eine Weltinnenpolitik, einen Schutzschirm für Arbeitsplätze, nicht nur für Banken, plus weg mit Hartz IV. Applaus. Und Friedrich Merz entzückt mit einem Wahlaufruf für die SPD: "Eine Schwächung der SPD bedeutet eine Schwächung der Demokratie in Deutschland."

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Liebhaber ohne festen Wohnsitz
Was lehrt uns nun die Finanzkrise? Der globale Kapitalismus ist ein Liebhaber ohne festen Wohnsitz, der nur bleibt, wenn man ihm die Tür öffnet. Alles nicht revolutionär.
Einen echten revolutionären Systemwechsel hätte Oskar Lafontaine an diesem müden Abend ausrufen können, hätte er lautstark beklagt, dass Politiker, die 25 Jahre im Geschäft sind - Lafontaine ist 25 Jahre im Geschäft - locker das Zehnfache der Durchschnittsrente von Leuten einfahren, die 40 Jahre im Geschäft sind. Dies ohne einen einzigen Cent eigene Einzahlung. Ein unschlagbarer Bonus. War aber gestern nicht Thema.