Auftakt ins Superwahljahr "Neue Energie" und ein "schwarzer Grüner" – das müssen Sie zur Wahl in Baden-Württemberg wissen

Ministerpräsident von Baden-Württemberg: Winfried Kretschmann
Ministerpräsident von Baden-Württemberg: Winfried Kretschmann
© Thomas Kienzle / AFP
Sehen Sie im Video: Umfragen sehen Kretschmann bei Landtagswahl in Baden-Württemberg klar vorne.




Kurz vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg sieht es danach aus, als ob der alte Ministerpräsident auch der neue ist. Winfried Kretschmann von den Grünen ist im Ländle beliebt und geht mit einem klarem Startvorsprung und einem deutlichen Amtsbonus in die Wahl. Umfragen zufolge wollen zwei Drittel der Wahlberechtigten, dass er weiter im Amt bleibt. Von Wechselstimmung keine Spur. In den jüngsten Umfragen liegen die Grünen mit Werten zwischen 33 und 35 Prozent klar vorne, ihr Koalitionspartner von der CDU liegt mit Werten um die 25 Prozent deutlich dahinter. Bei seinen öffentlichen Auftritten gibt Kretschmann den umsichtigen Landesvater. 48 Prozent aller Wahlberechtigten sind mit seinem Corona-Krisenmanagement zufrieden. Kretschmann selbst bleibt diesbezüglich zurückhaltend: "Jetzt warten wir einfach mal die Entscheidung des Souveräns ab. Eine zuweilen launische Diva. Das heißt, man weiß gar nicht, was da rauskommt. Und ich misstraue den Umfragen etwas. Ich weiß nicht, wie sich die Pandemie und die Maßnahmen, die wir machen, der Frust und Verärgerung über manches, sich auf das Wahlverhalten auswirkt." Den Umfragen zufolge könnte Grün-Schwarz unverändert weiterregieren. Eine grün-rote Koalition würde keine Mehrheit erreichen. Da alle Parteien eine Koalition mit der AfD bereits im Vorfeld ausgeschlossen haben, wäre rechnerisch noch eine Ampelkoalition von Grünen, SPD und FDP möglich. "Unser Wahlziel ist, dass wir die Regierung wieder führen und das niemand an uns vorbei regieren kann. Ob das so kommen wird, wird man sehen. Ich kann mich ansonsten den Worten meines Stellvertreters anschließen, dass wir diese Land verlässlich, solide und zukunftsorientiert regiert haben." Vor einigen Wochen hatte Kretschmann angekündigt, im Wahlkampf kürzerzutreten, um sich um seine an Krebs erkrankte Ehefrau zu kümmern. Seine Regierungsgeschäfte werde er aber weiterführen, kündigte der 72-Jährige an. Ob er eine dritte Legislaturperiode tatsächlich durchziehen würde, wird derzeit kontrovers diskutiert.
Zumindest beim Blick auf die Umfragen kann sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann beruhigt zurücklehnen. Der Grüne dürfte an der Macht bleiben. Und für welche Koalition könnte sich ein Wahlsieger entscheiden? Die Landtagswahl verspricht noch Spannung.

Jetzt gilt's. Nach einem wochenlangen Wahlkampf vor allem im Internet, über Videokonferenzen, auf Plakaten und hinter der Maske in der Fußgängerzone sind die Wählerinnen und Wähler in Baden-Württemberg gefragt. Die Umfragen sehen die Grünen vorne – aller Kritik an Impfstrategie und Schnelltests, unklarer Öffnungsperspektive und Lockdown zum Trotz. Möglich ist eine politische Richtungsentscheidung, wenn sich Grüne, SPD und FDP erstmals zu einer "Ampelkoalition" zusammenraufen. Es könnte aber auch mit einer grün-schwarzen Koalition weitergehen.

Das müssen Sie zur Landtagswahl in Baden-Württemberg wissen

  • Zahlen: Rund 7,7 Millionen Menschen sind wahlberechtigt, darunter etwa 500.000 Erstwählerinnen und Erstwähler. 2016 lag die Wahlbeteiligung bei 70,4 Prozent, damals waren 22 Parteien zur Wahl zugelassen; dieses Mal ist es eine weniger. Dem aktuellen Landtag gehören 143 Abgeordnete an. Die 16. Wahlperiode endet am 30. April 2021. Der neugewählte Landtag wird daher wohl im Mai 2021 das erste Mal zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen.
  • Modus: Anders als bei der Bundestagswahl hat jeder bei der Landtagswahl nur eine Stimme, es gibt keine Landeslisten und die Stimmzettel sind in den 70 Wahlkreisen unterschiedlich. Mit seiner Stimme votiert ein Wähler für den Direktkandidaten eines Wahlkreises. Die Stimme wird aber zugleich für die proportionale Sitzzuteilung einer Partei im Landtag gezählt. Deshalb kommen zusätzlich noch Abgeordnete in den Landtag, die keinen Wahlkreis gewonnen haben.
  • Ausgangslage: Bislang sind fünf Parteien im Landtag vertreten. Auf die beiden Regierungsfraktionen entfallen 90 Mandate (Grüne 47, CDU 43). Die SPD hat 19 Sitze, die FDP 12 und die AfD nach mehreren Austritten 15. Weitere sieben Abgeordnete sind fraktionslos. Wenige Tage vor der Landtagswahl im Südwesten liegen die Grünen in mehreren Umfragen deutlich vor der CDU.
Eine ältere weiße Frau mit blondem Seitenscheitel, rotem Halstuch und schwarzem Blazer lächelt in die Kamera
© Thomas Kienzle / AFP
Eisenmann will Kretschmann ablösen – doch in Umfragen steht die CDU schlecht da
  • Themen: Natürlich werden die Coronakrise, ihre Bewältigung und die wirtschaftlichen Folgen den Wahlkampf dominieren. Hier steht die Landesregierung wegen Fehlern beim Kauf von mehreren Millionen Masken und bei der Impfstrategie derzeit gehörig unter Druck. Auch die vor allem bei vielen Lehrern und Eltern umstrittene Schulpolitik dürfte wegen der CDU-Spitzenkandidatin Eisenmann ein Thema sein, ebenso wie die Klimapolitik und sicher auch die Affäre um Geschäfte von CDU-Politikern mit Corona-Schutzmasken.
  • Ministerpräsident: Neulich entfuhr Winfried Kretschmann, der seit zehn Jahren im Südwesten regiert: "Ich bin der Ministerpräsident und nicht der König von Baden-Württemberg." Doch dass die Grünen in ihrem Stammland noch viel besser dastehen als schon im Bund, haben sie ihrem 72 Jahre alten Landesvater zu verdanken. Der überzeugte Katholik, dreifache Vater und zweifache Großvater ist wie schon vor fünf Jahren der Garant für ein starkes Ergebnis. Der Lehrer gibt sich wertkonservativ und bodenständig, er wohnt auf der Schwäbischen Alb. Sein präsidialer, bedächtiger Stil kommt an in der Mitte des Ländles. Grün ist das neue Schwarz, heißt es wegen ihm. Kretschmann betont, er trete nochmal für fünf Jahre an – wenn er fit bleibe. Dann wäre er fast 78.
Die Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann (Grüne) und Susanne Eisenmann (CDU) bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg
Die Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann (Grüne) und Susanne Eisenmann (CDU) bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg
© Patricia Neligan / SWR / DPA
  • Herausforderin: Susanne Eisenmann hat Power, doch bisher konnte sie ihre PS kaum auf die Straße bringen. Mit dem Slogan "neue Energie" will die CDU-Spitzenkandidatin gegen Kretschmann punkten, doch das zündet nicht. Eisenmann will die gebeutelte Südwest-CDU zu alter Stärke führen. Aber selbst die meisten CDU-Anhänger finden, der Grüne solle Ministerpräsident bleiben. Die 56-jährige Eisenmann kommt oft ruppig rüber und ist relativ unbeliebt. Das liegt auch an ihrem Amt als Kultusministerin in der grün-schwarzen Koalition, mit dem sie vor allem in der Coronakrise Kritik auf sich zieht. Ihr politischer Ziehvater Günther Oettinger riet ihr jüngst zur Attacke, ihr Mann, Ex-Sprecher von Oettinger, ist ihr engster Berater. Und nun platzte auch noch die Maskenaffäre der Union in den Wahlkampf. Klar ist: So leicht gibt die taffe Eisenmann nicht auf.

Was ist von der Landtagswahl zu erwarten?

Nichts scheint unmöglich, schaut man sich die Konstellationen an. Fast nichts. Nach den jüngsten Umfragen haben die Grünen einen komfortablen Vorsprung vor der Konkurrenz. Für Grün-Schwarz würde es sicher reichen. Eine Leidenschaft verbindet aber beide Parteien nicht. Wunschkonstellation der Grünen-Spitze bleibt ein Bündnis mit der SPD, doch dafür gibt es auch kurz vor dem Wahltag laut Umfragen keine Mehrheit. Daher könnte es auch auf eine "Ampelkoalition" aus Grünen, SPD und FDP hinauslaufen. Da niemand mit der AfD zusammenarbeiten will, könnte zudem eine Koalition von CDU, SPD und FDP unter Umständen rechnerisch möglich sein, sie ist aber sehr unwahrscheinlich. Für ein CDU/FDP-Bündnis wiederum reicht es nicht, dafür ist sogar ein Bündnis von Grünen und der FDP zumindest in Reichweite.

Der stern informiert sie am Wahlabend über alle Entwicklungen zu den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

DPA
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