Lars Klingbeil ist ein Bekräftiger. Er sagt gern "in der Tat" oder "ich habe natürlich". Eine seiner Lieblingsformulierungen lautet: "Ich sag jetzt auch sehr klar". Oder: "Es ist für uns klar". Der SPD-Chef ist stets um Eindeutigkeit bemüht. Aber wenn einer das dauernd so betont, werde ich schon skeptisch.
Vielleicht ist es Ihnen auch aufgefallen, wenn Sie ihm jüngst bei Caren Miosga zugehört haben. Ich jedenfalls habe mitten in der Sendung auf den Anfang zurückgespult, um mitzuzählen: zehnmal sagte Klingbeil "klar" oder "Klarheit" allein in den ersten 20 Minuten. Dabei hat er ziemlich viele Antworten im Unklaren gelassen.
Lars Klingbeil: Die Zukunft der SPD wirkt manchmal ziemlich alt
Diese Ambivalenz passt gut zu meinem Bild von Lars Klingbeil. Aus dem SPD-Chef werde ich oft nicht schlau. Er wirkt immer ein bisschen sowohl als auch. Klingbeil ist 47, im Vergleich zu Friedrich Merz und mir also ein wirklich junger Kerl, redet aber manchmal so phrasenhaft, als gehöre er zu den Alten. Er müht sich, seinen Worten Bedeutung zu geben, und klingt doch bisweilen so langweilig. Er ist die Zukunft der SPD und unterliegt doch der Gefahr einer rhetorischen Frühvergreisung.
Der Sowohl-als-auch-Klingbeil hat auch politisch etwas Unberechenbares. Er wirkt immer ruhig und besonnen, auch sympathisch mit seinem sanften Lächeln, ist also in jeder Hinsicht das Gegenteil von Markus Söder, und neulich hat ihn ein Kollege sogar einen Softie genannt. Aber wie er sich in den Stunden nach dem SPD-Debakel bei der Bundestagswahl Partei- und Fraktionsvorsitz gesichert hat, das war dann doch eher die machtbewusste, die harte Tour.
Die Frage der Kanzlerkandidatur zwischen Olaf Scholz und Boris Pistorius hat Klingbeil zum Schaden beider und der Partei schlecht gemanagt. Und wenn er nicht aufpasst, passiert ihm das im Umgang der SPD mit seiner Co-Vorsitzenden Saskia Esken gleich noch mal. Trotzdem bleibt wenig an ihm haften, der Aufstieg des Teflon-Parteichefs geht unaufhaltsam weiter, mittlerweile zugegebenermaßen auch, weil er offenbar ein geschickter Verhandler ist.
Dass Friedrich Merz die Schuldenbremse plötzlich nicht mehr so wichtig findet wie im Wahlkampf, dürfte – neben seinem unbedingten Wunsch, Kanzler zu werden – der Einfluss von drei Leuten bewirkt haben: Donald Trump, Wladimir Putin und Lars Klingbeil. Eine Billion Euro für Investitionen – ein großer Erfolg für die SPD. Umgekehrt wertet Klingbeil die Zugeständnisse seiner SPD bei Migration und Bürgergeld als Zeichen des Entgegenkommens gegenüber der Union in den Koalitionsverhandlungen. Dabei ist er heilfroh, dass die Union ihm "Opfer" abverlangt, weil die SPD so diese unpopulären Themen endlich loswird. Abschenken nennt man das.
Wenn die Koalition steht, wird Klingbeil sich entscheiden müssen. Behält er den Partei- und Fraktionsvorsitz, oder geht er als Minister und Vizekanzler in die Regierung? Die SPD hat in Koalitionen mit der Union schlechte Erfahrungen damit gemacht, Parteivorsitz und Vizekanzlerschaft zu trennen. Franz Müntefering (Kabinett) geriet heftig in Streit mit Kurt Beck (nicht Kabinett). Und Andrea Nahles war Partei- und Fraktionsvorsitz schon los, da hatte Olaf Scholz im Finanzministerium noch nicht richtig Platz genommen.
Mein Tipp: Der Sowohl-als-auch-Klingbeil wird Vizekanzler und bleibt Parteichef. So hält er alle Fäden in der Hand und alle Optionen für die Zukunft offen. Denn auch wenn mir der Mann ein Rätsel bleibt, weiß ich in der Tat eines natürlich in aller Klarheit: Unterschätzen sollte man ihn nicht.