Libyen-Affäre Noch mehr Polizisten unter Verdacht

Ausweitung des Libyen-Skandals: Offenbar haben mehr nordrhein-westfälische Polizisten als bislang vermutet ohne Genehmigung Sicherheitskräfte in dem Land geschult. Sollte sich diese Annahme bestätigen, würde die Zahl der Verdächtigen bundesweit auf rund 40 ansteigen.

Die Affäre um eigenmächtige Schulungen libyscher Sicherheitskräfte durch deutsche Experten weitet sich womöglich aus. Neben den acht Polizisten aus Nordrhein-Westfalen (NRW) könnten sechs weitere aktive und frühere Polizeibeamte des Bundeslandes in den Fall verwickelt sein, teilte das Landesinnenministerium mit. "Nach derzeitigem Kenntnisstand könnten drei weitere aktive und drei ehemalige Polizeibeamte des Landes Nordrhein-Westfalen disziplinarrechtlich betroffen sein", sagte der Abteilungsleiter Polizei im Landesinnenministerium, Carl von Bauer.

Sollten sich die Vermutungen bestätigen, würde sich die Zahl der bundesweit verdächtigen Polizisten und Soldaten auf knapp 40 erhöhen. Dazu zählen nach Angaben des Düsseldorfer Innenministeriums neben Bundespolizisten und Bundeswehr-Angehörige auch aktive und ehemalige Polizisten aus Baden-Württemberg. Bauer zufolge liegen dem Innenministerium keine Hinweise darauf vor, dass NRW-Polizisten neben Libyen auch in anderen Staaten auf eigene Faust Sicherheitskräfte geschult haben.

Wegen der Affäre waren gegen sieben Polizeibeamte aus Bielefeld, Köln und Essen Disziplinarverfahren eingeleitet worden, ebenso gegen einen Polizisten aus dem Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste. Gegen den Mann ermittelt zudem die Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen Verdachts des Geheimnisverrats. Laut Düsseldorfer Innenministerium sollen sich die NRW-Beamten teils mehrfach in Libyen aufgehalten haben, zwei Polizisten demnach im Zuge eines genehmigten Sonderurlaubs von sechs beziehungsweise drei Monaten ohne Bezüge. "Die anderen Beamten befanden sich in Urlaub beziehungsweise hatten sich krank gemeldet", sagte Bauer.

Für die Schulungen krank gemeldet

Anträge auf Genehmigung von Nebentätigkeiten reichten die Beamten demnach nicht ein. Teilweise hätten sich die Beamten krankgemeldet, um für ihren ungenehmigten Nebenjob als Polizei-Ausbilder nach Libyen zu fliegen. Der Fall sei den nordrhein-westfälischen Behörden im Juni 2007 durch die Aussage eines Zeugen bekannt geworden, der sich telefonisch beim Düsseldorfer Landeskriminalamt gemeldet habe. In einem persönlichen Gespräch am 29. Juni 2007 erhob der Tippgeber den Vorwurf, dass deutsche Experten die Schulungen in Libyen gegen Bezahlung vorgenommen hätten. Laut Bauer ergab sich aus dem Gespräch "der Verdacht, dass Kenntnisse aus sensiblen Sicherheitsbereichen der Spezialeinheiten weiter gegeben und dadurch Dienstgeheimnisse und besondere Geheimhaltungspflichten verletzt wurden".

Landesinnenminister Ingo Wolf nannte die Vorfälle bedauerlich und inakzeptabel. "Wer das tut, muss mit harten Konsequenzen rechnen." Dies sei aber ein Problem einer einzelnen Gruppe und "keine Staatsaffäre". Die Opposition kritisierte den FDP-Politiker, das Parlament nicht frühzeitig informiert zu haben und erst jetzt Urlaubsanträge von Sicherheitsbeamten zu kontrollieren. "Ich habe erhebliche Zweifel an ihrem Krisenmanagement", sagte Grünen-Abgeordnete Monika Dücker. Karsten Rudolph von der SPD nannte es einen "ausgewachsenen politischen Skandal" und eine "Unverfrorenheit", nicht wenigstens die Obleute der Fraktionen informiert zu haben.

DPA · Reuters
Reuters/DPA/AFP