Linken-Chef Lafontaine "Es gibt Eitelkeiten und Rivalitäten"

Will er Parteichef bleiben? Zieht er sich zurück? Oskar Lafontaine sprach auf dem Neujahrsempfang der Saarbrücker Linken über vieles - aber nicht über seine persönlichen Pläne.

Vermutlich liebt Oskar Lafontaine, 66, diese Situation. Alle kommen, alle warten, alle hängen an seinen Lippen. Um zu erfahren, ob er Parteichef der Linken bleiben will - oder eben nicht. Denkbar ist auch, dass er sich nach seiner Krebsoperation ins Saarland zurückzieht. Knallvoll war es auf dem Neujahrsempfang der saarländischen Linken, auf dem Lafontaine seine erste große Rede seit zwei Monaten hielt.

Doch die entscheidenden Sätze fielen erst hinterher, als er vor laufenden Kameras nach seiner persönlichen Zukunft gefragt wurde. Dazu werde er sich zum "gegebenen Zeitpunkt" äußern, antwortete Lafontaine. Dieser Zeitpunkt kann allerdings nicht mehr allzu fern sein. Im Mai wird die Linkspartei einen Parteitag abhalten. Bis dahin muss das Personaltableau geklärt sein. Unklar ist derzeit, wer den Parteivorsitz besetzen soll und ob es wieder eine Doppelspitze geben wird. Die Linke braucht außerdem Ersatz für Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, der nach einem heftigen Machtkampf mit Lafontaine angekündigt hatte, nicht wieder für sein jetziges Amt zu kandidieren. Auch der Posten des zweiten Bundestagsfraktionschefs neben Gregor Gysi ist vakant.

"Man muss sich wie im Alltag an Regeln halten"

In seiner Rede ging Lafontaine auf den Machtkampf mit Bartsch nicht direkt ein - er sagte nur wenige Sätze, die er, was für Lafontaine untypisch ist, vom Blatt ablas. "Dort, wo Menschen zusammenarbeiten, das gilt für alle Organisationen und Parteien, gibt es Eitelkeiten, Rivalitäten und persönliche Befindlichkeiten", sagte er. "Da nicht alle Akteure einander in tiefer Sympathie und Zuneigung verbunden sind, muss man sich wie im Alltag an Regeln halten, die ein solidarisches Miteinander ermöglichen." Im Übrigen könne sich die Linke kurz vor den wichtigen Landtagswahlen keine überflüssige Personaldebatte leisten. Sie dürfe sich nicht in Ost und West spalten lassen.

Bartsch gilt als Vertreter des ostdeutschen Reformer-Flügels, der Bündnisse mit der SPD anstrebt, Lafontaine ist Protagonist der westdeutschen Linken, die eher zur Opposition neigt. Die Auseinandersetzung zwischen Bartsch und Lafontaine hat die Partei zutiefst irritiert und gespalten.

"Bei der nächsten Bundestagswahl sind 15 Prozent drin"

Lafontaine schwor die anwesenden Parteianhänger in seiner einstündigen Rede auf die Inhalte ein, die seiner Ansicht nach die Linke definieren: Mindestlohn, raus aus Afghanistan, weg mit Hartz IV, Änderung der Rentenformel. Mit Genugtuung stellte der Parteichef fest, dass sich selbst die schwarz-gelbe Regierung nun den Positionen der Linken nähere. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte angekündigt, die Hartz-IV-Reformen auf den Prüfstand zu stellen, Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will eine Perspektive für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan erarbeiten. Wenn die Linke bei ihren Positionen bleibe, so Lafontaine, "dann sind bei der nächsten Bundestagswahl 15 Prozent drin".

Differenzen zu Bartsch machte Lafontaine nur indirekt deutlich: Er habe die rot-rote Koalition in Brandenburg deshalb nicht befürwortet, weil im Koalitionsvertrag ein Stellenabbau im Öffentlichen Dienst vorgesehen sei. Bartsch hingegen hatte die Brandenburger Koalitionsbildung nach Kräften unterstützt, er sah darin ein Modell für die Zukunft. Ob und wie die Positionen Bartschs weiter berücksichtigt werden, ist nicht abzusehen. Mit Bodo Ramelow hat ein weiterer Reformer angekündigt, nicht wieder für den Parteivorstand kandidieren zu wollen.

Lafontaine hingegen trat - wenn auch wegen einer abklingenden Bronchitis mit leicht belegter Stimme - an diesem Abend in der Rolle auf, die ihm vom Selbstverständnis her wohl zukommt: als Taktgeber der gesamten Partei.

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