MDR in der Kritik Gezockt, aber nicht verzockt

  • von Sebastian Huld
Der MDR befindet sich im Kreuzfeuer der Kritik: Der Sender soll Millionen von Gebührenmitteln an der Börse "verspekuliert" haben. Der Mitteldeutsche Rundfunk verteidigt seine Investmentpolitik vehement. Zocker sind die MDR-Verantwortlichen wohl nicht, doch der Vorgang hat 'Gschmäckle'.

Hat der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) Millionen öffentlicher Gelder verzockt? Oder wurde ein Bericht der verantwortlichen Landesrechnungshöfe durch "populistische Berichterstattung" übertrieben und verfälscht dargestellt? Fakt ist, der MDR wehrt sich vehement gegen den Vorwurf, "GEZ-Millionen an der Börse verzockt" zu haben. Tatsächlich ist die Lage unklar. Dass die Sendeanstalt fahrlässig Millionen verloren hätte, ist wahrscheinlich übertrieben. Das Finanzgebaren des Senders wirft aber zumindest etliche Fragen auf.

Anlage mit guten Absichten

Die Verantwortlichen des Senders haben bereits in den Neunziger Jahren in insgesamt sieben Spezialfonds investiert, in denen nicht verwendete Mittel aus den Rundfunkgebühren, Steuergelder und Werbeeinnahmen angelegt wurden. Drei dieser Fonds waren an keinen bestimmten Zweck gebunden und sollten laut MDR für wirtschaftsschwache Jahre beiseite gelegt werden.

Nachdem der MDR schon einmal im Jahr 2000 circa 2,3 Millionen Euro bei Anleihegeschäften verspekuliert hat, beschlossen die Verantwortlichen unter Intendant Udo Reiter am 4. Dezember 2000 die Dienstanweisung zur Verwaltung des Finanzvermögens. Demnach durften ab sofort nur noch maximal 35 Prozent des gesparten Kapitals in Aktien und ähnlich unsichere Papiere investiert werden. Ob diese Regel auch befolgt wurde, ist jetzt heiß umstritten.

Eine Frage des "Risikos"

Die Rechnungshöfe der beteiligten Vertragsländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen rügen in ihrem Bericht zu operativen Geldgeschäften der Dreiländeranstalt Spekulationen mit "risikobehafteten Geldanlagen". Gemeint sind so genannte 'Genussscheine', 'Floaters' und 'Reserve Floaters'. Diese Papiere gelten im Allgemeinen als sehr sicher, ihr Ertrag ist jedoch - im Gegensatz zu Festanlagen- nicht garantiert. Diese Papiere soll der MDR laut Rechnungsprüfern "unzulässigerweise als festverzinsliche Wertpapiere eingestuft" haben beziehungsweise im Fall der Genussscheine als Rentenpapiere ausgewiesen haben.

Der MDR hingegen widerspricht dieser Darstellung. Alles dreht sich nun um die Frage der Risikobewertung, denn sollten die Rechnungshöfe richtig liegen, hätte der MDR gegen die internen Auflagen, nicht mehr als 35 Prozent des eigenen Kapitals in Aktien und ähnliches zu investieren, verstoßen.

Ein gigantischer Sparstrumpf

Dieser Streit hätte im Normalfall nicht gerade für viel Aufsehen gesorgt, hätte der MDR nicht in den vergangenen Jahren gigantische Geldsummen angehäuft. Nach den schwachen Börsenjahren 2001 und 2002 wuchs die "stille Reserve" des MDR gegen Ende 2005 auf rund 536,6 Millionen Euro an. Eine Summe, die der MDR nach Meinung der Rechnungshöfe besser "zur Erfüllung des Rundfunkauftrags" einsetzen sollte. So lautete zumindest ihre Empfehlung im August 2008.

Wären die Verantwortlichen der Rundfunkanstalt unter Intendant Udo Reiter dieser Empfehlung nachgekommen, hätten sie sich viel Ärger erspart. Denn dadurch, dass 35 Prozent des Anlagekapitals in Aktien investiert wurden und die umstrittenen Genusscheine, Floaters und Reverse Floaters ebenfalls Unwägbarkeiten bergen, sind die stillen Reserven "im Zuge der sich seit Mitte 2008 verschärfenden Finanzkrise deutlich zurückgegangen", schreiben die Rechnungsprüfer. Tatsächlich könnte der Sender also Millionen Euro an der Börse verlieren.

Börsenguru oder Zocker?

Haben die Verantwortlichen der Dreiländeranstalt also "GEZ-Millionen verzockt", wie es die Bild und andere schreiben? "Nein", wehrt sich der Sender in seiner Pressemitteilung, "richtig ist, dass sich angesichts der jüngsten Kursrückgänge an den Aktienmärkten die stillen Reserven wieder relativiert haben. Ausfälle hat es keine gegeben. Die Durchschnittsverzinsung aller Fonds des MDR seit Auflegung beläuft sich immer noch auf 3,7 Prozent pro Jahr." Demzufolge hätte der MDR, wenn man Verluste und Gewinne der vergangenen Jahre addiert, sogar Gewinn gemacht – allerdings nur in geringem Ausmaße.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Ist der MDR deshalb ein Börsen-Guru, der entgegen "populistischer Berichterstattung" alles richtig gemacht hat? Nein. Es ist noch immer fraglich, warum ein öffentlich-rechtlicher Sender mit hunderten Millionen an der Börse spekuliert, die eigenen Auflagen bis an die Grenze strapaziert und selbst dann nicht vom Spekulieren lassen kann, wenn der Rechnungshof fordert, das Geld für die eigentlichen Aufgaben zu verwenden.

Ein schwerer Vorwurf

Heiko Hilker, MDR-Insider und Abgeordneter der Linken im Landtag, vermutet gegenüber stern.de sogar dubiose Absichten hinter dem Finanzgebaren der MDR-Führung: "In den Aktienfonds wurde ein Vermögen erwirtschaftet und in der Sendeanstalt gespart. Alles lief auf die Bilanz des Jahres 2008 hinaus." Dem Jahr in dem Intendant Udo Reiter in seine vierte Amtszeit gewählt wurde. "Ich gehe davon aus, dass Herrn Reiter und dem Finanzvorstand die Verstöße bekannt waren", so Hilke weiter.

Mögen sich alle Vorwürfe in Luft auflösen, so bleibt doch ein bitterer Nachgeschmack. Ein öffentlich-rechtlicher Sender hantiert mit Millionen in einer Branche, von der er nichts versteht. "Schließlich ist eine gewisse Sicherheit der Fonds zu gewährleisten", schreiben die Experten vom Rechnungshof, "denn es handelt sich um Gebührenmittel und damit um öffentliche Gelder."