Das also unterscheidet Angela Merkel, neben manchem Offensichtlichen, auch von Barack Obama: Sie hat die Eidesformel bei ihrer Vereidigung bis auf einen minimalen Verhaspler am Ende unfallfrei abgelesen. Darf man auch erwarten. Ist ja nun auch schon so etwas wie Routine für sie.
Angela Merkel, die dritte also.
Dreimal den Amtseid als Kanzler geschworen haben bislang nur drei ihrer Vorgänger: Adenauer, Kohl und Helmut Schmidt, der aber nicht so richtig zählt, weil zwei seiner Legislaturperioden nur abgebrochene waren. Rein an der Quantität ihre Regierungszeit gemessen ist Angela Merkel also auf dem Weg, auf einer Stufe mit den großen Kanzlern dieser Republik zu stehen. Was die Qualität angeht, kann sie allerdings noch zulegen, da hapert es.
Und es hat nicht den Anschein, als würde sich das legen. Merkel ist keine Frau des großen Entwurfes und des geschmeidigen Wortes. Das wird sie, die Prognose darf man gefahrlos wagen, auch in ihrer dritten Amtszeit nicht mehr werden. Kann sie nicht, will sie nicht, fertig. Grandios ist sie nur im Klein-Klein und im relativ sicheren Navigieren durch Krisen aller Art. Da könnte man es schlechter treffen als Bürger. Man kann es sich mit ihr relativ gemütlich machen. Eine Art Kaminabendkanzlerin. Wird schon nichts passieren, solange sie auf uns aufpasst und auf unser Geld. "Ich sitze ruhig und mache meine Arbeit", sagt sie selbst. Besser kann man es nicht beschreiben.
Kohlsche Wurstigkeit
Aber ein bisschen mehr Anstrengung dürfte es schon sein. Es muss ja gar nicht die Neuerfindung der Welt sein. Wer aber, wie Merkel, selber postuliert, eine große Koalition sei dazu da, große Aufgaben zu erledigen – der sollte zumindest eine grobe Vorstellung davon haben, wie diese Aufgaben denn aussehen. Noch schöner wäre es, sie hätte auch eine Idee, wie sie zu erfüllen wären. Es gibt ja genug davon. Die dritte Regierung Merkel könnte das Problem Demografie anpacken. Sie könnte mutig Schneisen in das föderale Gestrüpp schlagen. Sie könnte jenseits des durchaus sinnvollen Ziels, die Neuverschuldung zu stoppen, eine Politik für die nachfolgenden Generationen planen statt hauptsächlich die Rentnergenerationen zu beglücken. Es gäbe in der Tat viel zu tun. Es gäbe auch eine Menge zu erklären. Momentan scheint aber Merkels Motto zu lauten: Lassen wir es sein.
Es ist ohnehin schwer, in seiner dritten Amtszeit so etwas wie Aufbruchstimmung zu versprühen. Schon gar nicht, wenn man zwar den Regierungspartner gewechselt hat, ihn aber aus der früheren gemeinsamen Zusammenarbeit gut kennt. Schwarz-Grün hätte Merkel noch einmal antreiben können, aber das wollte sie, anders als andere aus ihrer Union, nicht wirklich. Sie regiert gerne auf der sicheren Seite. Keine unnötigen Experimente. Inzwischen hat auch eine gewisse Kohlsche Wurstigkeit von ihr Besitz ergriffen. Dass sie erst im neuen Jahr den Bundestag mit einer Erklärung zu ihrer Regierungspolitik behelligen will, ist nur ein Beispiel. Und eine Frechheit den Parlamentariern gegenüber. Wären sie etwas selbstbewusster, müssten sie gegen diese Missachtung aufbegehren. Aber so kurz vor Weihnachten? Nach einem so anstrengenden Jahr? Ach, Friede sei mit ihr.
Aber vielleicht ist das alles nur eine besondere Abart des Merkelschen Erwartungsmanagements: die Hürde so tief zu legen, dass man sogar einbeinig drüber hüpfen könnte. Vielleicht gelingt es Merkel ja, und wir staunen alle mit offenem Mund, woher die Frau nach all den Jahren plötzlich Energie und Esprit vereint und zur Erneuerung nutzt. Es würde einen ja freuen.
Noch aber unterscheidet Merkel sich, neben manchem Offensichtlichen, auch in einem anderen Punkt von Barack Obama: Als gescheiterte Hoffnungsträgerin wird sie nie enden. Denn wer keine großen Erwartungen weckt, kann sie schließlich auch nicht enttäuschen.