Bundesbürger haben auch künftig keine direkten Mitwirkungsrechte bei der Gesetzgebung. Im Bundestag fand die von Rot-Grün geforderte bundesweite Einführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide am Freitag nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Für die Änderung des Grundgesetzes wären 444 Stimmen nötig gewesen, aber nur 348 Abgeordnete stimmten dafür. Alle Fraktionen plädierten für eine stärkere Bürgerbeteiligung.
Der CDU-Innenexperte Erwin Marschewski warf vor allen den Grünen vor, mit einer Verfassungsänderung wenige Tage vor der Bundestagswahl ein »populistisches Angebot« machen zu wollen. Da das Verfassungsgericht bei den Bürgerentscheiden als Kontrollinstanz vorgesehen sei, sei es aber ein »Placebo statt Plebiszit«.
Keine »Schönwetterdemokratie«
Der CDU-Rechtsexperte Rupert Scholz sagte, es dürfe künftig keine »Schönwetterdemokratie« nach der Devise geben: »Das lassen wir mal die draußen entscheiden.« Die von der Koalition vorgesehene Regelung wäre ein »Einstieg in die Minderheitendemokratie«. Mit zehn Prozent plus einer Stimme der Bürger könnte ein Gesetz beschlossen werden, mit 26,6 Prozent sogar eine Verfassungsänderung.
Der SPD-Rechtsexperte Hermann Bachmaier wies darauf hin, dass in allen Landesverfassungen Gesetzgebungsinitiativen der Bürger vorgesehen seien. »Von einem inflationären Gebrauch kann nicht die Rede sein.« Wegen seiner Dreistufigkeit eigne sich das von Rot-Grün vorgeschlagene Verfahren auch nicht »für populistische Hau-Ruck-Aktionen«. Der Grünen-Abgeordnete Gerald Häfner wies darauf hin, dass in Umfragen 82,7 Prozent der Bürger diese Form der direkten Demokratie unterstützt hätten.
Der FDP-Parlamentarier Max Stadler nannte es nicht angemessen, eine solche Grundgesetzänderung am Ende einer Legislaturperiode abzuhandeln. Zustimmung erhielt die Koalition von der PDS. Deren Fraktionschef Roland Claus meinte: »Endlich einmal mehr Demokratie und nicht Demokratieabbau.«
Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin nannte das kategorische Nein der Union zu dem Gesetz »völlig unverständlich«. Gerade in Zeiten, in denen populistische Strömungen kritisiert würden, müsse dem Desinteresse und Frust der Bürger entgegengewirkt werden. Gute Erfahrungen mit Plebisziten hätten nicht nur Länder und Kommunen, sondern auch andere Demokratien in Europa gemacht.
Mehrheit gegen Volksinitiativen
Im Bundestag konnte sich auch die FDP mit ihrem Antrag nicht durchsetzen, lediglich Volksinitiativen grundgesetzlich zu verankern. In Deutschland sind Volksentscheide nur auf Landes- und Kommunalebene zulässig.
Rot-Grün hatte bundesweit ein dreistufiges Verfahren vorgesehen:

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Mit einer Volksinitiative, unterschrieben von mindestens 400.000 Bürgern, wird die Einbringung einer Gesetzesvorlage ins Parlament unterstützt. Wenn das beantragte Gesetz nicht innerhalb von acht Monaten zu Stande kommt, kann mit mindestens fünf Prozent der Stimmberechtigten (rund drei Millionen Bürger) der nächsten Schritt folgen: das Volksbegehren.
Wenn das Parlament dann den Gesetzentwurf noch immer nicht verabschiedet, findet ohne weiteren Antrag ein Volksentscheid statt. Das Gesetz ist mit Mehrheit angenommen, wenn sich mindestens 20 Prozent der Bürger an der Abstimmung beteiligt haben (Zweidrittelmehrheit bei 40 Prozent Beteiligung für Verfassungsänderungen).