"Amok im Kopf" Hat dieser Mann ungewollt eine "Amok-Anleitung" geschrieben?

Hat der US-Psychologe Peter Langman ungewollt so etwas wie eine "Amok-Anleitung" geschrieben? Der Münchner Täter ist nicht der erste, bei dem "Amok im Kopf - Warum Schüler töten" gefunden wurde - zur Bestürzung des Autors.

Der US-Psychologe Peter Langman ist bestürzt darüber, dass im Zimmer des Amokläufers von München sein Buch "Amok im Kopf - Warum Schüler töten" gefunden wurde. "Das fühlt sich sehr merkwürdig an", sagte der Autor der "Berliner Morgenpost". Es sei allerdings nicht ungewöhnlich, dass sich Attentäter vor ihrem Amoklauf mit ähnlichen Taten beschäftigten.

Der 18 Jahre alte Deutsch-Iraner habe in seinem Buch womöglich ein Vorbild gesucht, sagte Langman. Meistens würden sich Täter im Internet informieren. "Andere gehen aber darüber hinaus und recherchieren noch intensiver zu dem Thema." Das Buch sei schon einmal bei einem Amokläufer gefunden worden - 2013 im US-Bundesstaat Colorado.

Für das Buch hat der IS-Psychologe über mehr als 20 Jahre hinweg Amokläufe an Schulen untersucht. Er wertete unter anderem Tagebücher und Gesprächsprotokolle aus.

Das sind die zentralen Aussagen des Buches:

Die Amok-Täter

"Schul-Amokläufer sind gestörte Individuen. (...) Es sind einfach keine normalen Jugendlichen. Es sind Jugendliche mit schweren psychischen Störungen." Langman unterteilt die Täter in verschiedene Gruppen: Psychopathen (extrem narzisstisch, keine Empathie für andere Menschen, fühlen sich anderen oft überlegen), psychotische Täter (Wahnvorstellungen, Halluzinationen) und traumatisierte Amokläufer (schwere Kindheit mit Gewalt, Missbrauch oder Drogen, die Opfer fühlen sich oft ihr Leben lang bedroht).

Langman sieht zudem eine Verbindung zwischen Schulmassakern und Depression. "Von den zehn Amokläufern in diesem Buch litten neun an Depressionen und Selbstmordgedanken. Viele hielten sich für Versager und beneideten ihre Kameraden, die glücklicher und erfolgreicher zu sein schienen. Dieser Neid verwandelte sich oft in Hass, Wut und Mordfantasien."

Mehr als eine Ursache

Dennoch sei auch eine Depression allein kein zureichender Erklärungsgrund für die Taten. "Schulmassaker sind zu komplex, als dass man sie einer einzigen Ursache zuschreiben könnte", schreibt Langman. Es gebe "keine einfache Erklärung für das Phänomen des jugendlichen Amokläufers oder eine Formel, nach der sich voraussagen ließe, wer zum Massenmörder wird. (...) Das Problem ist zu komplex und es gibt vieles, was wir nicht wissen."

Zugang zu Schusswaffen

Es reiche beispielsweise ebenfalls nicht aus, den ungehinderten Zugang zu Schusswaffen als Ursache zu nennen. Es liege zwar auf der Hand: "Wo es keinen Zugang zu Waffen gibt, kommt es zu keinen Schießereien. Doch der Zugang zu Waffen erklärt die Schulmassaker nicht."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Video dokumentiert wirres Gespräch mit mutmaßlichem Täter

Keine Außenseiter

Es ist laut Langman auch nicht richtig, dass die Täter in ihren Schulen stets Außenseiter und vom Schulleben ausgeschlossen sind. "Dieses Bild ist irreführend. In ihren schulischen Leistungen waren die Täter meist durchschnittlich oder etwas darüber. Sie waren nicht gefährdet, von der Schule zu fliegen."

Viele Schul-Amokläufer waren zudem sportlich und nahmen an sportlichen Aktivitäten außerhalb des Unterrichts teil. "Kurzum, das Bild von Schul-Amokläufern als isolierten Schülern, die keinen Kontakt zu ihrer Schule hatten, trifft nicht zu."

Gewalt in den Medien

Ähnliches gelte für Gewalt im Fernsehen, in Filmen, Videos, Computerspielen und Büchern. "Das ist ein komplexes Thema. Auf der einen Seite sind Millionen von Kindern Gewalt in den Medien ausgesetzt, ohne zu Massenmördern zu werden." Die Gewalt in den Medien könne Schulmassaker folglich ebenfalls nicht hinreichend erklären.

dho mit DPA