Müntefering-Interview "Wir können nicht die Menschen fragen, wie sie es gerne hätten"

"Wir können nicht die Menschen fragen, wie sie es gerne hätten"

Hamburg. - SPD-Fraktionschef Franz Müntefering rechnet offenbar nicht damit, dass die umstrittene Ausbildungsplatzabgabe jemals in Kraft treten muss. "Die Umlage, die wir ermöglichen, kommt ja nicht automatisch", sagte Müntefering in einem Interview mit dem stern. "In diesem Jahr haben wir 500 000 Ausbildungsplätze. Es fehlen gerade 24 000. Dass die deutsche Wirtschaft es nicht schaffen sollte, fünf Prozent mehr auszubilden, vermag ich nicht einzusehen."

Zugleich forderte der SPD-Politiker von den Jugendlichen mehr Flexibilität. "Ich mache da nicht nur weiche Betten", so Müntefering zum stern. Man dürfe sich nicht nur auf die erhoffte Lehrstelle versteifen: "Jeder von uns hat das Talent zu mehreren Berufen. Aber wer bis 25 nie seinen Tag strukturieren musste – hingehen, pünktlich sein, arbeiten –, der ist irgendwann verloren für den Arbeitsmarkt."

Müntefering zeigte sich unbeeindruckt von den schlechten Umfragewerten für die SPD. "Wir können nicht die Menschen fragen, wie sie es gerne hätten, damit sie uns wählen", sagte er dem stern. "Wir dürfen keine Politik nach Gefälligkeit machen, sonst müssten wir längst aufgehört haben mit der Agenda 2010." Müntefering gab sich optimistisch, dass die Vermittlungsergebnisse zu den Reformplänen der Regierung "auf jeden Fall von der ganzen Fraktion getragen werden" könnten. "Dafür kämpfe ich." Er fügte hinzu: "Wenn wir die Kanzlermehrheit brauchen, steht sie auch."

Strikt wandte sich der Fraktionsvorsitzende gegen die Forderung jüngerer SPD-Politiker, Studiengebühren einzuführen. "Wir haben uns auf die Gebührenfreiheit für das Erststudium festgelegt. Dabei soll es bleiben", so Müntefering im stern-Gespräch.