Mit der Festnahme der früheren RAF-Terroristin Daniela Klette in Berlin ist der Staatsanwaltschaft Verden ein spektakulärer Coup gelungen. Gemeinsam mit ihren RAF-Komplizen Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg soll Klette seit Ende der 90er Jahre mehrere Raubüberfälle auf Geldtransporter und Supermärkte hauptsächlich in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen begangen haben, weswegen ihnen die Behörden wieder auf die Spur kamen. Dabei ging es um Beschaffungskriminalität für das Leben im Untergrund. Die Drei waren die letzten offiziell zur Fahndung ausgeschriebenen RAF-Mitglieder. Ein weiterer Mann wurde ebenfalls festgenommen, seine Identifizierung dauert noch an.
Mittlerweile ist Klette in Untersuchungshaft an einem unbekannten Ort. Wie ihr Leben im Untergrund ablief, ist unklar. Nach Angaben eines Nachbarn hat sie unter dem Vornamen Claudia gelebt. Um Geld zu verdienen, soll sie privaten Nachhilfeunterricht in Mathematik gegeben haben, erzählte der Nachbar weiter. Sie soll dort im 5. Stock rund 20 Jahre gewohnt haben, ist zu hören. Er habe sich öfter mit Klette, die einen anderen Nachnamen nutzte, unterhalten. Klette habe aber nur eher oberflächliche Kontakte zur Nachbarschaft gepflegt. "Sie hat immer Hallo gesagt und war eigentlich ganz nett", berichtete eine Jugendliche aus der Nachbarschaft. "Ich habe sie immer nur alleine gesehen mit ihrem Hund und ihrem Fahrrad." Klette sei nie in Begleitung gewesen, schilderten mehrere Anwohner.
Ihr weiteres Verhalten gegenüber der Justiz ist offen. Klette stehe natürlich die gesetzlich geregelte Kronzeugenregelung offen, sagt Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer. Dafür müsse sie aber deutlich über ihren eigenen Tatbeitrag hinaus aussagen – vor einer drohenden langen Haft kann sich Klette also nur retten, wenn sie umfassend auspackt.
Taten der dritten Generation liegen weitgehend im Dunkeln
Staatsanwaltschaft und BKA dürften viele Fragen haben. Wer verübte vor mehr als 30 Jahren den Mordanschlag auf den Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen 1989? Wissen Staub, Garweg oder Klette, wer am Attentat auf den Treuhand-Präsidenten Carsten Rohwedder 1991 beteiligt war? Immerhin soll dabei dasselbe Gewehr benutzt worden sein wie beim Anschlag auf die US-Botschaft in Bonn im selben Jahr, an dem Klette beteiligt war. Wer sprengte 1993 den Neubau der JVA Weiterstadt in Hessen in die Luft, bevor die RAF 1998 ihre Selbstauflösung bekannt gab? Das BKA hat Spuren von Staub, Garweg und Klette identifiziert. Zwei weitere Personen sollen beteiligt gewesen sein.
30 Jahre linker Terror – die Chronik der RAF in Deutschland

Das die drängenden Fragen beantwortet werden, ist kaum zu hoffen. Die dritte Generation der Linksterroristen ist für die Sicherheitsbehörden weitgehend ein Rätsel. Es ist zu vermuten, dass Klette, wie die meisten Terroristen bisher, schweigen wird. "Die werden nichts sagen. Alle haben bislang geschwiegen, keiner hat den anderen verraten", hatte ein Ermittler schon vor vielen Jahren prognostiziert.
Dementsprechend ist wenig über Klettes Mitstreiter Staub und Garweg bekannt. Staub gehörte vermutlich zur Kommando-Ebene der dritten RAF-Generation. Der gebürtige Hamburger saß wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bereits in den achtziger Jahren vier Jahre lang im Gefängnis. Nach seiner Entlassung tauchte er wieder in den Untergrund ab und schloss sich erneut der RAF an.
Staub und Garweg sind Phantome
Das sind die wenigen Spuren zu Staub: Seine Fingerabdrücke fanden sich auf einem Brief, der bei der 1993 in Bad Kleinen festgenommenen Birgit Hogefeld gefunden wurde. Klette soll damals die "Freundin" oder "Gefährtin" Staubs gewesen sein. Ermittler glauben, dass die beiden bei dem Zwischenfall in Bad Kleinen vor Ort waren. Damals wurde Hogefeld festgenommen, der RAF-Terrorist Wolfgang Grams erschoss sich nach der misslungenen Festnahme schwer verletzt selbst. Zuvor hatte der den GSG-9-Beamten Michael Newrzella getötet. Ein weiterer Hinweis zu Staub stammt von einer Stilanalyse des RAF-Auflösungsschreibens aus dem Jahr 1998. Einige Formulierungen sollen von Staub stammen.
Von Garweg ist weniger bekannt. Er soll sich Ende der Achtziger Jahre im Umfeld der Hamburger Hafenstraße radikalisiert haben, bis er schließlich in den Untergrund ging. Seitdem gab es kaum Hinweise. Garweg war offenbar am Anschlag in Weiterstadt beteiligt, später tauchen seine Spuren im Zusammenhang mit den Raubüberfällen auf. Mehr ist öffentlich nicht bekannt.

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Quelle: DPA