OECD-Bildungsreport Deutschland glänzt in der Krise

  • von Alexander Sturm
Neues Lob und alte Kritik: In ihrem Bildungsreport bemängelt die OECD Deutschlands niedrige Akademikerquote. Dafür seien immer weniger Jugendliche arbeitslos - was weltweit nur wenige Länder schaffen.

Was musste sich Deutschland in den vergangenen Jahren nicht alles von der OECD anhören: Die Bildungsausgaben, so die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), seien viel zu niedrig, die Chancen seien ungleich verteilt und das Verhältnis von Lehrern zu Schülern sei miserabel. Dieses Mal ist das anders: Im aktuellen Bildungsreport findet die OECD zumindest einige lobende Worte für Deutschland. Denn trotz Wirtschaftskrise sinke gerade bei Jugendlichen die Arbeitslosigkeit - im Gegensatz zu fast allen anderen europäischen Staaten.

Immer mehr junge Menschen untergebracht

Wie die OECD in ihrem 480 Seiten starken Report "Bildung auf einen Blick" zeigt, zählt Deutschland zu den wenigen Staaten, in denen die Arbeitslosigkeit zwischen 2008 und 2011 gesunken ist - und zwar über alle Bildungsniveaus hinweg. Die Studie untersucht und vergleicht die Bildungssysteme der wichtigsten Industriestaaten weltweit anhand von Ranglisten und Quoten und gilt als führend auf diesem Gebiet. Ihr zufolge ging unter den Erwachsenen mit Abitur oder abgeschlossener Lehre die Arbeitslosenrate von 7,2 auf 5,8 Prozent zurück (OECD-Schnitt: 7,3 Prozent), bei Akademikern fiel sie von 3,9 auf 2,4 nur Prozent (4,8 Prozent). Beide Werte haben sich gegenüber dem Vorjahr noch einmal verbessert.

Außerdem fiel dank der robusten Wirtschaft der Anteil der jungen Menschen, die weder beschäftigt noch in Ausbildung oder Schule waren, auf 11 Prozent - im OECD-Schnitt stieg er dagegen auf 16 Prozent. In den Krisenjahren seit 2008 sei es außer Deutschland nur der Türkei, Österreich und der Schweiz gelungen, diese Quote zu senken oder zumindest stabil zu halten. Zu verdanken sei dies der guten betrieblichen Ausbildung in Deutschland, betonte OECD-Bildungsforscher Andreas Schleicher. In der Schweiz und Österreich sank der Anteil auf rund 10 Prozent, auch in der Türkei fiel die Quote - allerdings auf immer noch hohe 35 Prozent.

Akademikerquote bleibt vergleichsweise niedrig

Wie schon in den Vorjahren kritisierte die OECD den vergleichsweise niedrigen Akademikeranteil in Deutschland. Zwar habe sich viel bewegt, doch noch immer hinke das Land bei der Studienanfängerquote hinterher: Während 2011 hierzulande 46 Prozent eines Jahrgangs studierten, sind es im OECD-Schnitt 60 Prozent. Im Vergleich zu 2005 ist das jedoch ein großer Fortschritt: Damals lag die Quote in Deutschland noch bei 36 Prozent. Besonders die auf dem Arbeitsmarkt gefragten Fächer Mathematik, Informatik, Natur- und Technikwissenschaften studieren deutlich mehr.

Im Gegensatz zur noch immer niedrigen Akademikerquote attestierte die OECD Deutschland einen außergewöhnlich hohen Anteil von Erwachsenen, die mindestens eine abgeschlossene Lehre oder Abitur haben (86 Prozent) - und bestätigt damit indirekt ihre Kritiker: Die verweisen stets auf die in Deutschland starke betriebliche Ausbildung, die unabhängig vom Akademikeranteil für hochqualifizierte Facharbeiter sorgen.

Frauen holen auf - werden aber schlechter bezahlt

Dass es mehr Akademiker gibt, liegt vor allem an den Frauen: Zwischen 2000 und 2011 ist der Anteil der Frauen mit Hochschulabschluss in der Gruppe der 25- und 34-jährigen von 20 auf 30 Prozent gestiegen, während er bei den Männern nur um zwei Prozentpunkte auf 26 Prozent wuchs. Vor allem bei den gefragten Fächern legten Frauen zu: Ihr Anteil bei den Mathematik- und Statistik-Absolventen stieg von 42 Prozent im Jahr 2000 auf nun 59 Prozent.

Dafür bleibt das Gehaltsgefälle zwischen den Geschlechtern weiter hoch. Insgesamt verdienen Frauen im Schnitt gerade einmal 74 Prozent der Gehälter, die Männer beziehen - im OECD-Schnitt erreichen Frauen immerhin 79 Prozent. Eklatant wird die Lücke bei den Hochqualifizierten: Nur 11 Prozent der Frauen mit Hochschulabschluss verdienen mehr als doppelt so viel wie das durchschnittliche Einkommen, bei den Männern sind es 43 Prozent. Erklären lasse sich das mit dem hohen Anteil der Teilzeitjobs bei Frauen, so die OECD. "In keinen anderem Land mit verfügbaren Daten ist diese Geschlechterlücke größer."