Rechtswidriger Haushalt Steinbrück verteidigt Steinbrück

Trotz scharfer Kritik und drohender Verfassungsklage hält die künftige Bundesregierung daran fest, einen rechtswidrigen Haushaltsentwurf für 2006 vorzulegen. Der designierte Finanzminister Peer Steinbrück verteidigt sein Paket.

Der künftige Finanzminister Peer Steinbrück hat die Haushaltspläne der großen Koalition verteidigt. "Wir werden die Regelgrenzen des Artikels 115 nicht einhalten können", sagte der SPD-Politiker der "Berliner Zeitung". "Das ist kein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik." Die Regierung werde den Schritt mit Verweis auf die Verfassung begründen, sagte Steinbrück. Nach Artikel 115 des Grundgesetzes ist ein Überschreiten der Regelgrenzen nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts.

Die große Koalition will 2006 einen Haushalt aufstellen, der nicht dem Grundgesetz entspricht, weil die Neuverschuldung in Höhe von 41 Milliarden Euro die mit 23 Milliarden Euro veranschlagten Investitionen übersteigt. Die FDP hatte angekündigt, eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Haushalt 2006 zu prüfen. Auch die Grünen erklärten, einen derartigen Schritt zu erwägen.

Die künftige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr angehender Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) verteidigten ihren Plan als alternativlos. "Wir haben ganz viel Wert darauf gelegt, dass wir nicht wieder mit einer Lüge beginnen", sagte Merkel auf dem Berliner CDU-Parteitag. Sie rechtfertigte ebenso wie Steinbrück die angekündigte Mehrwertsteuererhöhung sowie die geplanten Einschnitte ins soziale Netz.

Bütikofer: "Verfassungsbruch bewusst einkalkuliert"

Das Grundgesetz schreibt vor, dass die Neuverschuldung eines Jahres unter dem Investitionsbetrag liegen muss. Ein verfassungskonformer Etat schon 2006 mache Einsparungen von 20 bis 25 Milliarden Euro erforderlich, was "schwere Verwerfungen" verursachen würde, sagte Steinbrück im Fernsehsender N24. Noch stärkere Einschnitte seien der Bevölkerung nicht zu vermitteln und schadeten der Konjunktur. Das wisse auch die FDP. Dem Vorstoß der Liberalen, eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Haushalt 2006 zu prüfen, schlossen sich die Grünen und die Linkspartei an. Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Gregor Gysi, sprach von einem einmaligen Vorgang. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer warnte das Regierungsbündnis davor, mit einem bewusst einkalkulierten Verfassungsverstoß zu starten.

Die Oppositionsparteien verfügen allerdings nicht über ausreichend Stimmen für eine Normenkontrollklage, die Voraussetzung für die Überprüfung des Bundeshaushalts durch die Karlsruher Richter ist. Sie muss von mindestens einem Drittel der Bundestagsabgeordneten befürwortet werden. Liberale, Grüne und Linkspartei stellen 166 Parlamentarier, bräuchten aber wenigstens 205 Stimmen.

Steinbrück hatte angekündigt, 2006 rund 41 Milliarden Euro neue Schulden aufzunehmen, aber nur 23 Milliarden Euro zu investieren. Dies verstößt nur dann nicht gegen die Verfassung, wenn mit den zusätzlichen Krediten eine Wirtschaftskrise abgewendet werden soll. Das heißt, dass die Regierung die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklären muss, um ihr Vorgehen zu rechtfertigen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Opposition empört

Die Opposition empört sich vor allem darüber, dass die Regierung noch nicht einmal versucht, die Investitionsvorgabe des Grundgesetzes einzuhalten. FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms sprach von einem Skandal. Bütikofer sagte im Deutschlandradio Kultur weiter: "Der Weg zur Hölle ist immer mit guten Vorsätzen gepflastert. Ich glaube, man sollte sich auf diesen Weg nicht begeben."

Die FDP kündigte Widerstand gegen die Mehrwertsteuererhöhung über den Bundesrat an. Allein kann sie das das rot-schwarze Vorhaben allerdings nicht verhindern, da Union und SPD dort die Mehrheit haben.

DPA · Reuters
Reuters, DPA