Es war wie in einem Kriminalthriller mit einem unbekannten Dritten. Zusammen mit zwei Schlüsselfiguren des Kölner Korruptionsskandals wurde am Donnerstag der frühere SPD- Bundespolitiker Karl Wienand (75) verhaftet. Sein Name war zuvor kaum öffentlich im Zusammenhang mit der Affäre um fingierte SPD- Spendenquittungen und vermeintliche Schmiergeldzahlungen beim Bau einer Müllverbrennungsanlage aufgetaucht.
Bis zuletzt hatte sich die Kölner Staatsanwaltschaft in Schweigen gehüllt. Seit Wochen herrscht Nachrichtensperre am Rhein. Jetzt geht es um Flucht- und Verdunkelungsgefahr. »Das ist ja vielleicht ein Hammer«, entfuhr es der Kölner Genossin Anke Brunn.
Helles Entsetzen im Rathaus
Im Rathaus der Domstadt herrschte helles Entsetzen. Dass das Schmiergeldsystem im Zusammenhang mit dem Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage so ausgeklügelt und umfassend war, hatte kaum jemand geglaubt. »Ich bin äußerst traurig. Eine große Organisation wie die SPD wird aber leider nie ausschließen können, dass es Einzelne gibt, die so etwas machen«, sagte Kölns SPD-Chef Jochen Ott.
Karl Wienand zum Beispiel hatte in der Kölner Öffentlichkeit nie eine besondere Rolle gespielt. Der heute 75-Jährige, der vor den Toren der Domstadt lebt, war in den 70er Jahren Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Wegen Steuerhinterziehung und wegen Agententätigkeit für die DDR war er damals bereits verurteilt worden. Jetzt muss er sich wieder den Behörden stellen.
Zum ersten Mal wurde mit der öffentlichen Erklärung der Kölner Staatsanwaltschaft ausdrücklich ein Zusammenhang zwischen Korruptionszahlungen und dem SPD-Spendenskandal hergestellt. »Da hat Norbert Rüther ja irgendwo noch eine Menge Geld versickern lassen - oder er hat eben doch etwas in die eigene Tasche gesteckt«, vermutet ein Parteimitglied.
Nach Erkenntnissen der Anklagebehörde soll der frühere Kölner SPD-Ratsvorsitzende Rüther in den 90er Jahren zwei Millionen Mark in bar erhalten haben. Bisher war von weniger als der Hälfte die Rede.
Enthüllungen gehen der SPD-Basis an die Nieren
Nach den bundesweiten Schlagzeilen der vergangenen Monate gehen die neuen Enthüllungen vor allem der SPD-Basis an die Nieren. Denn sie müssen im Wahlkampf die Vorgänge in ihrer Partei erklären. Die geschockten Parteimitglieder hatten bereits zu Ostern darauf verzichtet, wie üblich in Köln Ostereier an Passanten zu verteilen. Denn sie fürchteten angesichts der schlechten Stimmung in der Bevölkerung, die Ostereier postwendend zurück an den Kopf geworfen zu bekommen.
Frank Überall