Führende Unions-Politiker haben die Sozialdemokraten nach der Rückzugsankündigung von SPD-Chef Franz Müntefering eindringlich vor einem Linksruck gewarnt und eine große Koalition in Frage gestellt. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) forderte die SPD am Dienstag auf, sie müsse nun sagen, mit welcher Politik sie in eine große Koalition eintreten wolle.
"Es ist zurzeit offen, ob es diese große Koalition gibt", sagte Rüttgers am Dienstag in der ARD. "Da soll ja keiner so tun, als ob man nach dem gestrigen Tag zum Normalen übergehen könnte", so der stellvertretende Parteivorsitzende. Die Vorgänge in der SPD bezeichnete Rüttgers als "ganz schlimm", sie gingen über den Krach um die Besetzung des Postens des Generalsekretärs hinaus. Es sei nun ein Linksruck bei den Sozialdemokraten zu befürchten.
SPD muss zu sich selbst finden
Die SPD müsse daher schnell Klarheit schaffen, mit welchem Personal und Inhalt sie in die Koalition gehen wollen. "Das Land ist in einer Krise und das Land hat jetzt keine Zeit, sich mit den Machtspielen in der SPD zu beschäftigen", fügte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident hinzu. Zurzeit etwa weigere sich die SPD, im Bundeshaushalt zu Einsparungen zu kommen. Statt Einsparungen im Staatshaushalt mitzutragen, würden SPD-Vertreter ständig Steuererhöhungen vorschlagen.
Auch andere Unions-Spitzenpolitiker sorgen sich um die Handlungsfähigkeit der SPD in den Koalitionsverhandlungen. "Ich hoffe, dass die instabilen Verhältnisse in der SPD jetzt nicht zu Lasten der Notwendigkeiten des Landes gehen", sagte CDU-Präsidiumsmitglied Hildegard Müller der "Rheinischen Post". "Wir haben eine große Aufgabe vor uns und können keine SPD gebrauchen, die sich mit sich selbst befasst."
Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller hält die neue Situation für äußerst schwierig. "Angenommen, die SPD würde noch mehr linke Forderungen stellen, sehe ich alles in Gefahr." Das weitere Vorgehen auf dem Weg zur großen Koalition hänge auch von dem Nachfolger Münteferings als SPD-Chef ab, sagte der CSU-Politiker der Nachrichtenagentur DPA.
Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach setzt darauf, dass die SPD "bald wieder Tritt fasst". "Wir hoffen auch, dass sich die SPD nicht noch weiter nach links orientieren wird." Aber auch der Unions- Fraktionsvize wollte im Deutschlandfunk ein Scheitern der Koalitionsverhandlungen nicht ausschließen. "Wir wollen die Verhandlungen erfolgreich zu Ende führen, ich kann allerdings auch ein Scheitern nicht ausschließen", sagte er im Deutschlandfunk. Der Rücktritt Münteferings sei ein politisches Erdbeben gewesen.
"Unverstellbare Auferstehung der politischen Ränder"
Der designierte Verbraucherschutzminister Horst Seehofer warnt indessen vor einem Scheitern der großen Koalition. Sollten Union und SPD das Regierungsbündnis nicht zustande bringen, drohe ein "ungeahnter Imageschaden" für die Volksparteien, sagte Seehofer am Montagabend auf N24. Die Folge wäre eine "Auferstehung der politischen Ränder in einem Ausmaß, wie man sich das gar nicht vorstellen kann".
Deutschland brauche so schnell wie möglich eine handlungsfähige Regierung, damit Arbeitslosigkeit und öffentliche Finanznot nicht zunehmen und die Sozialsysteme nicht zusammenbrechen.