Steinbrück gegen Merkel Der Banken-Wahlkampf

In der großen Koalition kämpften Merkel und Steinbrück gemeinsam gegen die Finanzkrise. Jetzt sind sie Rivalen - und die Suche nach den Schuldigen des Schlamassels könnte zu einem Hauptthema werden.

Sie standen Seite an Seite, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr damaliger Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Im Kanzleramt versprachen sie am 5. Oktober 2008, auf dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise, dass die Bundesregierung für die Ersparnisse der Bürger bei den Banken einsteht. Es war ein merkwürdiger, eher spontaner Auftritt. "Eine Rechtsgrundlage hatten wir nicht", räumt Steinbrück in seinen Erinnerungen ein. Doch das Versprechen erfüllte seinen Zweck: Ein Ansturm der Bürger auf die Geldhäuser, vor dem sich die Spitzenpolitiker fürchteten, blieb aus.

In den nächsten Monaten treten Merkel und Steinbrück gegeneinander an im Rennen um die Kanzlerschaft. Nicht nur das Ringen um einen Ausweg aus der Euro-Schuldenfalle wird dabei eine entscheidende Rolle spielen, sondern womöglich auch eine moralische Frage: Wer sind die ursprünglich Verantwortlichen für das Schlamassel und wie sollen sie in ihre Schranken verwiesen werden? Nur zwei Tage vor seiner überraschenden Ausrufung zum SPD-Kanzlerkandidaten hatte Steinbrück daher sein Konzept zur Bändigung der Banken und Finanzmärkte vorgelegt - laut Parteichef Sigmar Gabriel die Voraussetzung dafür, dass Deutschland und Europa wieder ins "soziale Gleichgewicht" kommen.

Ungezügelte Märkte und rücksichtslose Banken

Die unterschiedlichen Programme der Parteien sind ein Aspekt dieser Auseinandersetzung. Wichtiger im Wahlkampf könnte aber die psychologische Seite sein: Wer kann den Unmut in der Bevölkerung über ungezügelte Märkte und rücksichtslose Banken, für die letztlich der Steuerzahler geradesteht, in Wählerstimmen ummünzen?

Es ist ein Bündel an Vorschlägen, das Steinbrück in dieser Woche vorgelegt hat - zur Regulierung und Haftung von Banken, zur Reform von Ratingagenturen und der Immobilienfinanzierung. Vieles davon, so kontern die Regierungsparteien, werde bereits auf EU-Ebene diskutiert oder sei sogar schon umgesetzt. Ein SPD-Vorhaben, die Aufspaltung von Geldhäusern in Privatkunden- und Investmentbanken, geht deutlich weiter, dürfte aber in der Praxis nur wenige Institute betreffen und würde etwa aus dem Branchenprimus Deutschen Bank eine Art Holding, aber wohl keine neue Bank machen. Immerhin: Fast drei von vier Bürgern unterstützen laut einer Infratest-dimap-Umfrage im Auftrag der ARD-Talkshow "Günther Jauch" den Vorschlag.

Steinbrück: Wut über bockige Finanzmanager

Steinbrück, der nach dem Regierungswechsel 2009 vom Finanzminister zum einfachen Abgeordneten wurde, hatte seither - anders als Merkel - Zeit für eine offene Reflexion der Finanzkrise. Der designierte Kandidat hat einen bekannten Bankier als Urgroßonkel und galt nie als Vertreter des wirtschaftskritischen linken Flügels seiner Partei. Doch in seinem 2010 erschienenen Buch "Unterm Strich" übt er wohl dosierte Selbstkritik und gesteht, dass auch die deutsche Politik in den vergangenen Jahrzehnten "der Schattenwelt - vielleicht besser: den Zauberkunststücken - der Banken sehr stark Raum gegeben hat". Zwischen den Zeilen wächst seine Wut über bockige Finanzmanager, die wenig Reue für eigene Fehler zeigen und weiter in einer "Parallelwelt" lebten.

Merkel mag Ähnliches empfinden. Es hagelte zwar Kritik der Opposition an einer Feier zum 60. Geburtstag des damaligen Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann, zu der Merkel im Frühjahr 2008 ins Kanzleramt geladen hatte - sogar ein Rechtsstreit folgte. Doch ihre Biografie und ihre Kanzlerschaft lassen keine besondere Sympathie für den Kosmos der Finanzelite erkennen. Ein Handicap dürfte allenfalls ihr Amt sein - als Kanzlerin wird sich nicht so unverblümt ausdrücken können wie der bisherige "Hinterbänkler" Steinbrück. Noch deutet nichts darauf hin, dass die Menschen ihr die Lösung der Finanzkrise und die Zähmung der Märkte weniger zutrauen als ihrem Herausforderer. Allerdings könnte eben diese Krise bis zum nächsten Herbst auch noch einige Überraschungen bieten.

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Alexander Missal, DPA