Selbstbestimmtes Sterben Neuer Anlauf zur Regelung der Sterbehilfe: Um diese Punkte geht es

Zwei Hände - Selbstbestimmtes Lebensende
Über das Ende des eigenen Lebens selbst bestimmen zu dürfen und sich dabei helfen lassen zu können, ist für viele Menschen eine wichtige Frage. Der Bundestag muss eine neue gesetzliche Regelung finden.
© Robert Kneschke / Picture Alliance
Wie selbstbestimmt kann ein Mensch über das Ende seines Lebens bestimmen? Die Antwort des Bundes auf diese Frage hielt vor dem Verfassungsgericht nicht stand. Nun beschäftigt die Sterbehilfe erneut den Bundestag. Der Stand der Dinge.

Der Bundestag hat an diesem Mittwoch einen neuen Anlauf zur gesetzlichen Regelung der Sterbehilfe gestartet. Es herrscht Handlungsbedarf, seit das Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren die damalige Regelung gekippt hat. Bereits vor gut einem Jahr hat der Bundestag zuletzt über das Thema diskutiert, wegen der Bundestagswahl kam es dann aber zu keiner Entscheidung mehr.

Warum soll es ein neues Gesetz zur Sterbehilfe geben?

Das Bundesverfassungsgericht hatte Anfang 2020 das bis dahin geltende Verbot der Sterbehilfe gekippt. Die damalige Regelung war erst im Jahr 2015 beschlossen worden, seither ist die Sterbehilfe wieder straffrei und ohne jede staatliche Regelung möglich. 

Was hatte Karlsruhe entschieden?

Die Karlsruher Richter entschieden, das im damaligen Strafrechtsparagrafen 217 geregelte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe schränke das Recht auf selbstbestimmtes Sterben zu sehr ein.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen. Es sei auch nicht auf schwere oder unheilbare Krankheiten beschränkt, sondern bestehe "in jeder Phase menschlicher Existenz". An diese Entscheidung ist der Gesetzgeber nun gebunden. 

Welche Vorschläge für eine Neuregelung gibt es?

Im Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung:

Ein von über 80 Abgeordneten mitgetragener Gesetzentwurf sieht vor, dass die "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" grundsätzlich strafbar sein soll. Nicht rechtswidrig soll demnach die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe dann sein, wenn der suizidwillige Mensch "volljährig und einsichtsfähig" ist, sich mindestens zweimal von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie hat untersuchen lassen und mindestens ein ergebnisoffenes Beratungsgespräch absolviert hat.

Zwischen den mindestens zwei Untersuchungsterminen sollen mindestens drei Monate liegen. Dem Entwurf zufolge soll zwischen der abschließenden Untersuchung und der Selbsttötung eine "Wartefrist" von mindestens zwei Wochen liegen.

Der Entwurf sieht zudem einen neuen Paragraf 217a gegen die "Werbung für die Hilfe zur Selbsttötung" vor. Demnach soll sich strafbar machen, wer "seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößige Weise" Sterbehilfe anbietet. Zu den Initiatoren gehören Lars Castellucci, (SPD), Ansgar Heveling (CDU), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), Stephan Pilsinger (CSU), Benjamin Strasser (FDP) und Kathrin Vogler (Linke). 

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Wer darf über meinen Tod entscheiden? DISKUTHEK zu Sterbehilfe
Wer darf über meinen Tod entscheiden? DISKUTHEK zu Sterbehilfe
© Hendrik Nix, Julian Kornacker
Darf ich über meinen Tod selbst entscheiden? Mediziner und Philosoph streiten über Sterbehilfe

Im Suizidhilfegesetz:

Eine weitere Gruppe strebt eine Regelung an, mit der das Recht auf einen selbstbestimmten Tod legislativ abgesichert werden soll. Der Antrag sieht eine Regelung außerhalb des Strafrechtes vor. Konkret ist der Aufbau eines Netzes von staatlich anerkannten Beratungsstellen geplant, die Sterbewillige ergebnisoffen aufklären. 

Ärztinnen und Ärzten soll es frühestens zehn Tage nach einer solchen Beratung erlaubt sein, Medikamente zur Selbsttötung zu verschreiben, zum Beispiel das Schlafmittel Natrium-Pentobarbital. Initiatoren sind die FDP-Abgeordneten Katrin Helling-Plahr und Otto Fricke, Petra Sitte (Linke) und Helge Lindh (SPD).

Im Gesetz zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben:

Eine liberalere Regelung strebt eine Gruppe um die Grünen-Politikerinnen Renate Künast und Katja Keul an. Demnach sollen Ärzte ein Medikament für den Suizid verschreiben können, wenn sich Sterbewillige in einer medizinischen Notlage befinden, die mit schweren Leiden, insbesondere starken Schmerzen, verbunden ist. 

Es muss dem Entwurf zufolge aber aus ärztlicher Sicht feststehen, "dass es sich um einen absehbar nicht mehr veränderlichen Sterbewunsch handelt". Zudem muss ein weiterer Arzt bestätigen, dass die Voraussetzung für die Verschreibung des tödlichen Präparats erfüllt sind.

Wie sieht der Zeitplan für die Gesetzgebung aus?

Nach der Orientierungsdebatte an diesem Mittwoch sollen die Entwürfe noch vor der Sommerpause in erster Lesung beraten werden. Nach den Ferien soll es Anhörungen geben, im Oktober könnte dann die Entscheidung fallen.

AFP
dho

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