Studiengebühren "Weg mit dem Pöbel an der Uni"

Der Weg für Studiengebühren ist frei. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass ihr Verbot gegen den Grundsatz der Länderhoheit über die Bildung verstößt. Fünf Bundesländer werden die Gebühren nun schnell einführen.

Das Bundesverfassungsgericht hat das Studiengebühren-Verbot des Bundes am Mittwoch für nichtig erklärt. Damit ist der Weg für die einzelnen Bundesländer frei, Gebühren für das Erststudium zu erheben. Nach Auffassung der Richter hat der Bund mit dem Verbot seine Kompetenzen überschritten. Nach dem Grundgesetz komme es nur in Betracht, wenn Studiengebühren die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in einzelnen Bundesländern beeinträchtigten. Dafür gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte, hieß es in der Begründung.

Laut dem Urteil sind Studiengebühren in der bisher diskutierten Höhe im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten von nachrangiger Bedeutung, soweit finanzielle Erwägungen bei der Wahl des Studienortes überhaupt eine Rolle spielten. Außerdem sei zu erwarten, dass sich die Bundesländer wie in der Verfassung vorgesehen um die Belange ärmerer Menschen kümmerten.

Auch die Erwägung, dass Studiengebühren in einzelnen Ländern zu Wanderungsbewegungen in gebührenfreie Bundesländer führen würden, rechtfertige keine bundeseinheitliche Regelung, hieß es weiter in dem 45-seitigen Urteil. Die Wanderungsbewegungen seien nicht ausreichend belegt, aber selbst dann hätten die Bundesländer die Nachteile selbst zu bewältigen. Gegner der Studiengebühren hatten argumentiert, dass die kostenlosen Hochschulen künftig überlaufen sein könnten.

500 Euro pro Semester reichen zunächst

Gegen das Hochschulrahmengesetz hatten sechs unionsgeführte Länder geklagt. Jetzt wollen Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Niedersachsen und das Saarland schnell allgemeine Studiengebühren vom ersten Semester an einführen. Gedacht ist zunächst an 500 Euro pro Semester. Die Wirtschaft stellte mehr Stipendien in Aussicht. Studenten kündigten Streiks an.

Studentenvertreter planen nun eine "Jubel-Demo". "Wir ziehen uns alle ganz schick an und halten ein Schild hoch mit der Aufschrift "Weg mit dem Pöbel an der Uni - Endlich nur noch für uns Reiche"", sagt Konstantin Bösl vom studentischen Konvent an der Uni in Regensburg. Viele Studenten befürchten nun, mit einem Schuldenberg ins Berufsleben zu starten. Außerdem, so Bösl, könnten sich Studenten aus ärmeren Familien die Universitätsausbildung möglicherweise nicht mehr leisten.

Protestwoche angekündigt

Der Studenten-Dachverband FZS kündigte einen bundesweiten Streik gegen Studiengebühren an. "Für Mai planen wir eine Protestwoche", sagte Vorstandsmitglied Nele Hirsch der "Berlin Zeitung".

In den meisten SPD-geführten Bundesländern soll das Erststudium weiterhin gebührenfrei bleiben. Die klagenden Länder sehen in dem vor knapp drei Jahren ins Hochschulrahmengesetz (HRG) aufgenommenen Verbot eine unzulässige Einschränkung ihrer Gestaltungskompetenzen in der Hochschulpolitik.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

500 Euro mehr pro Semester wären für viele Studenten ein harter Schlag, sagt auch Birgit Rebstöck. Die Anglistikstudentin verlangt, dass Kommilitonen aus weniger teuren Studiengängen wie den Geisteswissenschaften weniger Gebühren zahlen müssten. Wenn die Gebühren tatsächlich eingeführt werden, sollten sie in einer gerechten Verteilung den Fakultäten zugute kommen, meint Rebstöck. Um sich selbst macht sie sich allerdings keine großen Sorgen. "Ich bin schon fast am Ende und müsste wahrscheinlich nur noch ein Semester zahlen", sagt die angehende Gymnasiallehrerin.

"Meine Eltern können das nicht aufbringen"

Schlimmer könnte es für die Studenten im Grundstudium ausgehen, die noch viele Semester zu finanzieren hätten. "Meine Eltern können das nicht aufbringen", sagt ein 22-jähriger Mathematik-Student im dritten Semester. "Wenn zum Bafög noch ein Kredit dazu kommt, wird das sehr stressig mit dem Zurückzahlen." Daher sieht er sich in den nächsten Semesterferien schon verstärkt jobben. Protesten würde er sich auf jeden Fall anschließen.

Kaum ein Regensburger Student äußert sich pro Studiengebühren. Doch wenn nur endlich die Bedingungen besser würden, könnten sich einige mit dem Gedanken anfreunden. "Ich würde eventuell 100 Euro mehr zahlen", sagt ein 21 Jahre alter Medizinstudent. Vorher war er bereits für Geographie eingeschrieben, das gab er wieder auf. "Für 400 Studenten gab es nur 120 Plätze. Man konnte keinen Seminarplatz kriegen", sagt er. Auch in Medizin müsse die Betreuung besser werden.

AP · DPA · Reuters
AP/DPA/Reuters