Die Ampel-Koalition windet sich um die Taurus-Frage herum. Der Bundestag hat die Regierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) zwar mit den Stimmen der Ampel-Koalition aufgefordert, der Ukraine zusätzliche "weitreichende Waffensysteme" für den Abwehrkampf gegen Russland zu liefern. Offen blieb am Donnerstag aber, ob damit die Marschflugkörper Taurus gemeint sind. Grüne und FDP verstehen den von der Koalition beschlossenen Antrag zum Ukraine-Krieg überwiegend so, die SPD dagegen "nicht zwingend". Ein CDU/CSU-Antrag, in dem Taurus explizit genannt wird, fand am Donnerstag im Bundestag keine Mehrheit.
So kommentiert die Presse das Hin und Her bei den Taurus-Marschflugkörpern
"Neue Osnabrücker Zeitung": "Scholz braucht diesen Rückhalt und darf ihn nicht verspielen. Beim Taurus wehrt er sich seit Langem beharrlich. Er muss dafür gute Gründe haben, die er mit der Öffentlichkeit nicht teilt. Anders wäre seine Weigerung kaum zu rechtfertigen. Die Ukraine hat entgegen aller Erwartungen schon zwei Jahre einer der größten Armeen der Welt widerstanden. Zuletzt aber erlitt sie herbe Rückschläge. Tausende kamen um, große Teile des Landes liegen in Trümmern. Die Ukraine kann diesen Krieg immer noch verlieren. Der Kurswechsel des Bundestages muss daher auch Konsequenzen nach sich ziehen. Flugabwehr und Munition – die Ukraine braucht beides. Jetzt. Sonst ist der Beschluss das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht."
"Reutlinger General-Anzeiger": "Natürlich muss man der FDP-Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann zugute halten, dass sie ihr Votum als eine Gewissensentscheidung sieht. Auch hat SPD-Fraktionschef Mützenich den Ukraine-Antrag so formuliert, dass man ihn nicht unbedingt als Angriff auf den eigenen Kanzler verstehen muss. Zudem ist wegen einer Abweichlerin die Parlamentsmehrheit der Regierung nicht in Gefahr. Dennoch ist dieses Verhalten falsch. Denn es sind nur politische Spielchen, die nichts ändern und auch der Ukraine nicht helfen. Dabei ist allen Beteiligten klar, wie eine gesichtswahrende Lösung aussehen könnte: Deutschland liefert Taurus-Marschflugkörper über einen Ringtausch an die Ukraine."
"Badische Zeitung" (Freiburg): "Die Vorsicht des Olaf Scholz in allen Ehren: Seine faktische Blockade in Sachen Taurus treibt die Ukraine in ohnehin bedrängter Lage weiter in die Defensive. Wladimir Putin wird frohlocken. Wie war das nochmal mit der These, die Ukraine verteidige auch Europas Freiheit? Im Bundestag war davon gerade wenig zu spüren."
"Ludwigsburger Kreiszeitung": "Es ist beschämend, welchen Eiertanz die Ampelfraktionen veranstalten. Noch peinlicher wird die ganze Angelegenheit durch die Zustimmung der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses und FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, zum Antrag der Unionsfraktion, der Taurus beim Namen nennt. Mit dem Ausscheren aus der Fraktionsdisziplin hat die Freidemokratin Oppositionsführer Friedrich Merz einen kurzen Triumph beschert. Der Ukraine ist damit jedoch nicht geholfen. Und das ist das Problem: Die militärische Lage der Ukraine wird immer schwieriger, während sich die Politik in Berlin eine aufgeregte Debatte ohne Wert für das erbittert um sein Überleben kämpfende Land liefert. Ein gemeinsamer Antrag wäre das bessere Signal gewesen. Solidaritätsbekundungen sind ohne Frage willkommen. Doch gebraucht werden Waffen und Munition in großem Umfang."
"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Die Ampelkoalition, die nach eigenem Bekunden nicht will, dass die Ukraine verliert, hat ihre Unentschlossenheit und Widersprüchlichkeit in der Taurus-Debatte offengelegt. Sie will die Lieferung von 'zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen',– darunter verstehen Abgeordnete der Ampel die Marschflugkörper –, aber nicht ausdrücklich den Taurus, wie es die Union fordert, die sich selbst freilich nicht geschlossen zeigte. Was für ein Aufwand für eine Posse, hinter der der Anlass völlig verschwindet. Die Ukraine braucht sofort das, was nötig ist, um Leben zu retten. Zu ihrem Schutz, nicht aus Kriegsbesoffenheit, muss sich jedes friedliebende Land verpflichtet fühlen. Aus Humanität – und um nicht genauso zu enden. Dazu muss Bundeskanzler Scholz seine Angst überwinden."