Abstimmung im Bundestag In der Taurus-Debatte wird die Ampelkoalition vorgeführt – mit nur einer Frage

FDP-Politikerin Agnes Strack-Zimmermann
Die FDP-Politikerin Agnes Strack-Zimmermann musste sich bei Thema Taurus doppelt rechtfertigen.
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Zum zweiten Jahrestag des Ukraine-Kriegs streitet der Bundestag über Taurus-Lieferungen an die Ukraine. Mit einer einzigen Frage treiben Unionspolitiker dabei die Ampelkoalitionäre in die Enge.

Formal musste die Union am Donnerstag im Bundestag eine Niederlage einstecken. Für ihren Antrag, Deutschland solle auch Marschflugkörper des Typs Taurus an die Ukraine liefern, stimmten nur 182 der 676 Abgeordneten. 480 lehnten ihn ab, fünf enthielten sich. So weit, so erwartbar.

Trotzdem konnten sich Friedrich Merz und die Seinen am Ende als Sieger fühlen. Mit einem Trick war es ihnen gelungen, die Politiker der Ampelkoalition vorzuführen. 

Denn auch diese hatten einen Antrag eingebracht, mit dem sie versuchten, die unterschiedlichen Positionen in den Fraktionen zur Taurus-Lieferung aufzufangen, ohne sich allzu offensichtlich gegen die Linie von Kanzler Olaf Scholz zu wenden. Dieser lehnt eine Lieferung dieser Lenkwaffen weiterhin ab. 

Und so wird im Ampel-Antrag die Bundesregierung aufgefordert, "zusätzlich erforderliche weitreichende Waffensysteme" zu liefern, ohne dass dabei der Begriff "Taurus" fällt. 

Doch die Union ließ die Ampel damit nicht durchkommen. Wann immer ein Politiker oder eine Politikerin der Regierungsfraktionen redete, meldete sich reihum ein Abgeordneter von CDU oder CSU mit der stets gleichen Frage zu Wort: "Umfasst diese Formulierung Ihrer Ansicht nach auch die Lieferung von Taurus-Systemen – ja oder nein?"

Was folgte, war ein Spektakel an Ausweichmanövern in den unterschiedlichsten Varianten.

Taurus-Debatte: Pistorius macht sich schlanken Fuß

Den schlanksten Fuß machte sich ausgerechnet Boris Pistorius, der in seiner Funktion als Verteidigungsminister im Bundestag sprach. "Das kann ich nicht beantworten", wich der SPD-Politiker aus. Es sei ein Antrag der Fraktionen, er sei jedoch kein Abgeordneter. Aber: "Die Antragsteller werden sich ihren Teil dabei gedacht haben." 

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Am offenherzigsten antwortete seine Parteifreundin Gabriele Heinrich: "Nicht zwingend", sagte sie: "Es ist eine Interpretationsfrage." Die Lieferung werde "weiterhin geprüft".

Der Grünen-Politiker Robin Wagener probierte es mit einer ausschweifenden Nicht-Antwort: "Ich freue mich, was wir erreicht haben mit diesem Antrag." Er selbst habe schon mehrfach die Lieferung von Taurus gefordert, wie auch viele andere Grüne. Dann ging er zur Gegenattacke über. "Sie sind gut darin, ein Waffensystem zu fordern." Aber dies sei von der Union nicht finanziell hinterlegt. Die Union mache "dicke Backen", liefere aber nur "heiße Luft".

Schwer tat sich auch die Grünen-Politikerin Agnieszka Brugger bei der Frage. "Dieser Antrag bildet den Konsens in den Koalitionsfraktionen ab", wich sie aus und schob dann nach: "Sie kennen meine Position." Auch Brugger hatte sich für die Taurus-Lieferung ausgesprochen.  

Doppelt erklären musste sich die FDP-Politikerin Agnes Strack-Zimmermann. Sie hatte versucht, das Taurus-Dilemma auf ihre ganz eigene Weise zu lösen und nicht nur dem Antrag der Ampelfraktionen zugestimmt, sondern auch dem der Union. 

Letzteres habe sie nur aus einem Grund getan, sagte Strack-Zimmermann im Bundestag: Weil der Unions-Antrag explizit die Taurus-Lieferung fordere.

Strack-Zimmermann keilt gegen Scholz

Den eigenen Antrag nannte Strack-Zimmermann zwar "gut", keilte aber gleich danach gegen Bundeskanzler Olaf Scholz. Der hatte über seinen Regierungssprecher klar dementieren lassen, dass mit der dehnbaren Formulierung auch Taurus-Marschflugkörper gemeint sein könnten. Diese seien vielmehr "zwangslogisch" ausgeschlossen.

Dieses Wort kenne der Duden nicht, sagte Strack-Zimmermann und forderte Scholz auf, die "sprachlichen Nebenkriegsschauplätze" einzustellen. "Es geht nicht darum, wer hier den größten Bizeps hat", so die streitbare FDP-Politikerin, die demnächst ins Europaparlament wechselt: "Es geht ausschließlich um die Ukraine, die seit zwei Jahren ums Überleben kämpft." Sie wolle sich nicht eines Tages vorwerfen lassen, "im richtigen Augenblick nicht das richtige getan zu haben".