Nach Protesten wegen seiner Tätigkeit beim angeschlagenen Immobilienfinanzierer Hypo Real wird der ehemalige Bundesbank-Präsident Hans Tietmeyer doch nicht Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Finanzkrise. Nur wenige Stunden nachdem Merkel die Benennung Tietmeyers im Bundestag angekündigt hatte, zog der 77-Jährige am Mittwoch seine Zusage für den Posten zurück, bestätigte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg.
Auslöser für Aufregung in der noch laufenden Bundestagsdebatte war, dass Tietmeyer im Aufsichtsrat des nur mit Staatsgeldern geretteten Dax-Unternehmens Hypo Real Estate (HRE) sitzt. Zudem berät er laut einem von der HRE veröffentlichten Lebenslauf Ratingagenturen, denen Merkel selbst eine Teilschuld an der Krise gibt.
Nach Stegs Angaben habe Tietmeyer dem Kanzleramt erklärt, er wolle der Diskussion über ein Konzept zur Regulierung der Weltfinanzmärkte nicht durch eine Debatte über seine Person schaden. Merkel hatte in ihrer Regierungserklärung angekündigt, zur Vorbereitung eines Sondertreffens der G8-Staaten und einiger Schwellenländer wolle sie noch in diesem Jahr eine Expertengruppe einsetzen. Sie habe Tietmeyer gebeten, diese zu führen. Informationen der Nachrichtenagentur DPA zufolge wusste Merkel dabei nicht, dass Tietmeyer Aufsichtsratsmitglied der HRE ist.
Der ehemalige Bundesbank-Chef gehört seit Mai dieses Jahres dem HRE-Aufsichtsrat an. Von 1993 bis 1999 war er Präsident der Bundesbank. In den 1980er Jahren war Tietmeyer als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium einer der engsten Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) für Fragen der Weltwirtschaft. Nach seiner Bundesbankzeit übernahm er verschiedene Kontroll- und Beraterposten. Die HRE war erst vor zwei Wochen von Bund und Banken mit einem Paket von 50 Milliarden Euro gerettet worden. Tietmeyer saß mehrere Jahre auch im Verwaltungsrat der irischen Depfa-Bank, die die Probleme beim heutigen Mutterkonzern HRE zum großen Teil verursacht hat.
Erstaunen und Gelächter
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, die Regierung wolle nun bis zum Wochenende über die Zusammensetzung des Beratergremiums mit nationalen und internationalen Experten entscheiden. Der Schritt Tietmeyers sei im Kanzleramt "mit Respekt" aufgenommen worden.
An der Einrichtung der Expertengruppe will Merkel nach Stegs Worten aber unbedingt festhalten. Es sei nötig, von außen Anregungen für die Reform des Weltfinanzsystems zu erhalten. Der Kanzlerin gehe es im Einzelnen um eine neue Rolle des Internationalen Währungsfonds (IWF) und neue europäische Kontrollbefugnisse. Dem Gremium sollen vier oder fünf Experten angehören.
Als Merkel am Vormittag die Berufung Tietmeyers für den Beraterposten in ihrer Regierungserklärung bekanntgab, war dies von vielen Abgeordneten mit Erstaunen und Gelächter quittiert worden. Die SPD erklärte prompt, sie werde dies nicht mittragen. Auch aus der Unionsfraktion wurde die Berufung Tietmeyers als unsensibel bezeichnet.