Nein, schwer war die Frage nicht, die sich Anne Will für ihre Sendung ausgedacht hatte. "Milliarden für die Banker - Zahlen die Bürger die Zeche?", wollte sie am Sonntagabend von ihren Gästen wissen. Vielleicht war die Frage zu profan, um die wirklich Wichtigen dieser Republik ins Studio zu locken - es erschien nur die zweite Reihe. Der SPD-Altlinke Ottmar Schreiner saß ebenso im roten Sessel wie der politisch blasse Norbert Röttgen, der für die Unionsfraktion als Parlamentarischer Geschäftsführer arbeitet.
Die restliche Rollenverteilung war klar: Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Ulrich Schneider sollte für die Seite der Hartz-IV-Empfänger sprechen, AWD-Gründer Carsten Maschmeyer die Finanzbranche vertreten und Bischof Wolfgang Huber für Moral und Ethik sorgen.
Unklarer blieb, was die Moderatorin mit ihrer ersten Frage konkret in Erfahrung bringen wollte: "Herr Röttgen, bei allen Erklärungsversuchen der Politik in der vergangenen Woche; wie erklären Sie sich, dass die Menschen Ihnen dennoch misstrauen?" Der Unionsmann nutzte den unpräzisen Einstieg, um ungestört seine Botschaft an die Zuschauer zu bringen. Eine eher unerwartete Botschaft. Der Vertreter der traditionell wirtschaftsfreundlichen Union zeigte "vollstes Verständnis dafür, wenn die Bürger verärgert sind". Schließlich hätten "die mit Millionengehältern" Vertrauen zerstört. Ob es zum Schaden komme, könne heute zwar noch keiner sagen. Schuld an der Misere seien aber in jedem Fall "verantwortungslose Akteure".
Die Zeche zahlen die Kindergärtnerinnen
Die populistische Messlatte lag dementsprechend niedrig, als SPD-Urgestein Schreiner zu seinem ersten Beitrag ansetzen durfte. Doch der Sozialdemokrat riss sie spielend: "Die Investmentbanker haben Millionen verdient, und die Zeche zahlen die Kindergärtnerinnen und der Stahlarbeiter", bilanzierte er das Markttreiben der vergangenen Wochen.
Bei so viel Undifferenziertheit wollte Anne Will nicht störend eingreifen und führte Bischof Huber in die Diskussion ein. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland behielt die Richtung seiner Vorredner bei und machte da weiter, wo sie aufgehört hatten. "Gewinne werden privatisiert und Risiken sozialisiert", befand der Bischof. Das konnte man dieser Tage zwar schon häufiger hören, es fand aber ebenso den Applaus des Publikums wie die zahlreichen Forderungen des Wohlfahrtsverbands nach Mindestlöhnen, mehr Mitbestimmung, einer höheren Erbschaftssteuer und der Wiedereinführung der Vermögenssteuer.
Nach einer Viertelstunde wirtschaftskritischer Töne versprach die Sendung endlich spannend zu werden: Carsten Maschmeyer kam zu Wort und drohte, die Harmonie zu stören. Was der Gründer des Finanzdienstleisters AWD zu sagen hatte, ließ an Eindeutigkeit auch keine Wünsche offen: "Ich bin dafür, dass die verantwortlichen Banker solange keine Bonuszahlungen und Tantiemen mehr bekommen, bis sie alles auf Heller und Cent zurückgezahlt haben", erklärte der Wirtschaftsvertreter mit Nachdruck und legte damit auf einen Schlag das Sendungskonzept so trocken wie den Interbankenmarkt.

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Das "Spielgeld" der Reichen
Verblüfft von der unerwarteten Wendung ließ Moderatorin Will ihren Gefühlen freien Lauf. "Das wundert mich jetzt ein bisschen, Herr Maschmeyer", bekannte sie. Schließlich gehe es in seinem Gewerbe der Finanzoptimierung doch um größtmögliche Rendite. "Oder etwa nicht?" Doch der Finanzprofi war bestens präpariert: Er sei ja ein konservativer Typ, und seine Firma sei wahrscheinlich deshalb so erfolgreich geworden, weil sie Leute mit wenig Geld auch nur wenige Risiken eingehen lasse. Lediglich mit "dem Spielgeld" der Reicheren sei teilweise auf Risiko gesetzt worden. Da fiel der Moderatorin auch nichts mehr ein.
Um die Qualität der Sendung zu steigern, hätte die ARD nach diesen zwanzig Minuten die Studiobeleuchtung abschalten müssen: Ernsthafte Kontroversen fanden nicht mehr statt, neue Erkenntnisse blieben Mangelware. Wer noch nicht eingeschlafen war, erfuhr lediglich noch, dass alle Verantwortlichen der deutschen Banken seit Tagen sämtliche Talkshow-Einladungen absagen. Er bekam mit, wie sich die fünf Talkgäste minutenlang über Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann aufregten, der in diesem Jahr freiwillig auf seinen Bonus verzichtet. Gut fand das keiner der Gäste, höchstens gerade noch akzeptabel. CDU-Politiker Röttgen bezeichnete es sogar als "Hohn, dass Ackermann glaubt, er hätte überhaupt Anspruch auf einen Bonus".
Nach fast einer Stunde kollektiven Banker-Bashings fiel in den Schlussminuten doch noch eine bemerkenswerte Stellungnahme. "Verzichten die Vorstände der deutschen Banken nur deshalb auf Mittel aus dem staatlichen Rettungsfonds, weil sie dann nur noch 500.000 Euro im Jahr verdienen dürfen?", wollte die Moderatorin von CDU-Mann Röttgen wissen. Und der Christdemokrat brach die erste kleine Lanze des Abends für die Frontmänner des Kreditgewerbes. Er glaube nicht, dass die deutschen Bankvorstände so weit gehen würden, sagte Röttgen - schließlich hätten "sie in den letzten Jahren ja bereits gut genug verdient".