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Gysi über Hoeneß "Man hatte früh die Absicht, ihn zu entlassen"

Gregor Gysi, Ex-Fraktionschef der Linken, ist nicht für den Fußball geboren, wie er selbst einräumt - aber ein exzellenter Jurist. Der stern sprach mit ihm über den Fall Hoeneß und den großzügigen Straferlass.
Von Werner Mathes

Am 29. Februar ist es endgültig soweit: Uli Hoeneß, 64, Ex-Präsident des FC Bayern und verurteilter Steuerhinterzieher, kann die Haftanstalt verlassen. Seine Reststrafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Schon seit Anfang 2015 ist Hoeneß Freigänger, die Wochenenden verbringt er in seinem Haus am Tegernseer. Hat Hoeneß einen Promi-Bonus und wird deswegen so milde behandelt? Der stern sprach darüber mit Gregor Gysi, Ex-Fraktionschef der Linken im Bundestag.

Herr Gysi, dass Uli Hoeneß in wenigen Wochen nach Verbüßung der Hälfte seiner Haftstrafe freikommt, ist offenbar für viele Bürger nicht nachvollziehbar. Was sagt der Anwalt und Strafverteidiger Gregor Gysi dazu?

Nach dem Strafgesetzbuch ist eine Halbierung der Haftstrafe möglich – nicht als Regel-, sondern als Ausnahmefall. Deutlich häufiger erfolgt die Entlassung nach zwei Dritteln einer Haftstrafe. Wenn aber die Persönlichkeit eines Täters, seine Tat und ihre Wiedergutmachung, die Entwicklung und Einordnung in der Justizvollzugsanstalt und die Sozialprognose positiv beurteilt werden, kann ein Gericht auch die Hälfte der Haftstrafe erlassen.

Und was sagen Sie als Politiker der Linkspartei dazu?

Wenn Hoeneß seine Steuern gezahlt hätte, wäre er ja auch kein armer Mann gewesen. Ich glaube, dass er das in einer Zeit gemacht hat, als es eher als normal galt, Steuern zu hinterziehen oder es zumindest zu versuchen. Wenn man seine Steuern vollständig und ehrlich zahlte, galt man zumindest als naiv, wenn nicht gar als doof. Inzwischen haben sich Atmosphäre und Zeitgeist völlig verändert: Steuerhinterziehung ist jetzt als schweres Delikt gegen Infrastruktur, Bildung, Soziales und Kultur erkannt worden, und Täter werden auch durch den Ankauf entsprechender CDs schneller und sicherer zur Rechenschaft gezogen. Diesen Unterschied zwischen damals und heute muss man berücksichtigen. Trotzdem: Es war, ist und bleibt ein schwerwiegendes Delikt.

Was bedeutet es, dass die Reststrafe für drei Jahre auf Bewährung ausgesetzt wird?

Er wird sich nicht regelmäßig bei der Polizei melden müssen und auch keinen Bewährungshelfer bekommen, weil es das Gericht nicht anordnen wird. Hoeneß gehört kaum zu denen, die draußen diese Hilfe benötigen. Bewährung bedeutet für ihn, dass er in den nächsten drei Jahren keine vorsätzliche Straftat begehen darf, damit er – zusätzlich zur neuen Strafe – nicht auch noch die Reststrafe absitzen muss. Aber das wird er wohl nicht tun.

Hoeneß war schon seit längerer Zeit Freigänger: tagsüber draußen, nachts drin. Ist das üblich oder ein Promi-Bonus?

Das ist üblich, wenn ein Häftling vor der Entlassung steht. Aber er muss pünktlich wieder da sein und null Alkohol im Blut haben. Falls er dagegen verstößt, wird der Freigang gestrichen. Bei Hoeneß spricht das dafür, dass man schon früh die Absicht hatte, ihn nach der Hälfte seiner Haftstrafe zu entlassen.

Kann Uli Hoeneß jetzt wieder Präsident des FC Bayern München werden?

Klar – wenn der Verein nicht die Klausel im Statut hat, dass Vorbestrafte das nicht werden dürfen. Ich hoffe aber, dass er klug genug ist, dafür gar nicht erst zu kandidieren. Das hat er doch nicht nötig, das muss auch nicht sein. Er wird darüber nachdenken, welche Rolle er im Verein spielen will und was er gestalten will – dafür braucht er kein Amt.

Kennen Sie Uli Hoeneß persönlich?

Ich habe mich mal etwas länger mit ihm im Berliner Olympiastadion unterhalten, kurz nach seiner Entdeckung als Steuerhinterzieher. Vorher hätte er wahrscheinlich nicht mit mir gesprochen – aber als sonst kaum noch jemand mit ihm redete, ging ich zu ihm hin. Ich glaube, er hat sich selbst schwarz über seine Steuerhinterziehung geärgert. Das hat ihn völlig aus der Bahn geworfen, aber auch an Reife gewinnen lassen.

Haben Sie selbst Fußball gespielt?

Als Schüler stand ich immer im Tor, weil ich zu faul war, ständig über den Platz zu rennen. Der Nachteil bestand darin, dass ich mit meiner Hand nicht an die obere Latte kam. Zuletzt war ich im Tor als Bundestagsabgeordneter bei einem Benefizspiel – da brach ich mir beide Hände, weil sie hintereinander jeweils zwischen Ball und Pfosten gerieten. Immerhin: Ich habe gehalten.

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