Lange Zeit hatten die Schwarzmaler Hochkonjunktur. Von großen Unsicherheiten, drohendem Kollaps und viel zu niedrigen Temperaturen für Maiverhältnisse war die Rede. Aber Europa wäre nicht Europa, würde es nicht beherzt zupacken und der Zukunft eine Zukunft geben. Wer Europa als einen taumelnden Koloss abstempeln wollte, wurde von der deutschen Kanzlerin nicht nur eines Besseren, sondern des Allerbesten belehrt. Wie sie an einem einzigen Wochenende die Eurozone zur Wellness-Oase modifizierte, lässt Währungshüter und Volksökonomen vor Jubel erstarren.
Frau Merkel beweist nicht nur Mut, sondern auch ein exorbitantes Quantum an Mitgefühl. Sie ist willens, 123 Milliarden für das EU-Rettungspaket zu spenden, damit es Europa auf lange Sicht gut geht. Mutti Merkel hat die Metamorphose zur europäischen Mutter Teresa mit Auszeichnung bewältigt. Und weil Deutschland das Geld ohnehin nicht hat, ist das Verlustrisiko null. Da zeigen sich einmal mehr die positiven Auswirkungen ihrer innigen Freundschaft zu Deutsche Bank-Boss Ackermann. Der hat ihr endlich beigebracht, was es heißt, ohne Eigenkapital am großen Rad zu drehen.
Als Dank dafür zieht die Kanzlerin vor den Kameras immer eine Schnute, wenn Forderungen nach einer Finanztransaktionssteuer laut werden.
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Selbstverständlich treten jetzt wieder die Neider auf den Plan und wollen der Kanzlerin in die Parade fahren. Einige Parteifreunde sehen in ihr eine Trümmerfrau, die Deutschlands Haushalt abräumt. Oder wollen ihr das politische Leben schwer machen. Nicht überraschend ist, dass vor allem bayerische Unionisten die Powerfrau der SPD zum Fraß vorwerfen wollen - und zwar mit einem perfiden Trick: Die CSU will dem Rettungspaket nur zustimmen, wenn ihr Wunschkatalog in dieser Causa erfüllt wird. Vor allem pochen Seehofers Rabauken auf ein Verbot von sogenannten Leerverkäufen, weil sie diese lustige Spielart des Geldverdienens für Teufelszeug halten.
Aber was ist überhaupt ein Leerverkauf? Im Prinzip wird etwas, was jetzt nichts ist, verkauft. Und zwar in der Hoffnung, dass es später ein bisschen mehr als nichts ist und im Optimalfall richtig viel. Wem das immer noch zu hoch ist, dem sei empfohlen, den schwarz-gelben Koalitionsvertrag zu lesen. Dieser nämlich ist der ambitionierte Versuch eines Leerverkaufs. Nur dass sich dieses Vertragswerk als ewiges Nichts herausgestellt hat, weil nichts von all dem darin Versprochenen machbar oder haltbar ist.
Die Meister des Leerverkaufs sitzen nun mal nicht in der FDP, sondern bei den Investmentbanken. Und die sind schuld am Euro-Desaster. Weil sie gegen den Euro wetten. Sagt die Politik. Und darum noch mal zum Mitschreiben und Mitdenken: Der Euro wird nicht dadurch destabilisiert, dass die Euroländer heillos überschuldet sind, sondern weil es einige hinterlistige Banker vorhergesehen haben. Und deshalb sollen nicht die Schulden, sondern das Vorhersagen selbiger verboten werden. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wenn es keine Spekulanten mehr gibt, kann ein Staat nicht mehr bankrott gehen. So die Sicht der Politik. Weil der Meteorologe das Wetter richtig vorhergesagt hat, soll er gelyncht werden.
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Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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Die Quintessenz aus dem derzeitigen Eurofestival: Der Euro sackt ab. Soll der Euro-Bürger deshalb in Panik verfallen? Mitnichten! Je tiefer der Euro, umso mehr kauft der Amerikaner wieder Qualität. Also Audi, BMW und Daimler. Und das führt automatisch zu höherer Lebensqualität in Amerika und zu höherem Lebensstandard im EU-Raum. Da amerikanische Produkte meist von einer Aura der Qualitätsfreiheit umgeben sind und von qualitätsbewussten Europäern geschmäht werden, ist ein höherer Dollarkurs dem Europäer schnuppe. Wo Export, da gute Stimmung und griechischer Wein.
Da haut ein bisschen Inflation auch nicht so sehr ins Kontor. Und nicht zu vergessen: Frau Merkel riskiert die Inflation nur, um die Währung zu stabilisieren. Sie zieht die Inflation quasi zeitlich vor, damit später der Euro seine Ruhe hat. Dennoch fragen sich beunruhigte Bürger: Was wird aus meinem Geld? Diese Frage ist ganz einfach zu beantworten: Dem Geld kann Inflation nichts anhaben. Hundert Euro werden immer hundert Euro bleiben. Die Gerüchte, dass bei einer Inflation alle Geldscheine umgeschrieben werden müssten, dürfen getrost ignoriert werden.
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Falls die Kanzlerin die 123-Milliarden-Spende teilweise einsparen will im Bundeshaushalt, wird sie sich sicher nicht an den wichtigen Ressorts vergreifen, sondern nur an Bildung und Erziehung. Dadurch findet auch eine tiefgehende Annäherung an Neu-EU-Mitglieder wie Rumänien und Bulgarien statt. Dem inneren Zusammenhalt der EU kann das nur gut tun.