Und jetzt ... Django Asül Wellblechhütte Europa

Eine satirische Marktanalyse von Django Asül
Die Deutschen haben Umfragen zufolge keine Ahnung von der Euro-Krise. Das hat auch sein Gutes: Jetzt hat das Volk immerhin mal eine Gemeinsamkeit mit der Bundeskanzlerin.

Bisher gängige Standards in Wirtschaft und Politik bröseln derzeit munter dahin. Das sorgt selbst auf Seiten der sonst eher emotionslosen Berichterstattung für konsternierte Irritation. So war beispielsweise letzte Woche auf dem Nachrichtensender des Bayerischen Rundfunks namens B5 aktuell folgende Meldung zu vernehmen: Der Ölpreis klettert auf 1835 Dollar pro Feinunze. War das nun ein Fauxpas, Bonmot oder Chansons? Gut, der Lapsus ging bloß einmal über den Äther. Aber da bis zu den nächsten Nachrichten eine gewisse Zeit verstrich, wurden alle Marktteilnehmer in der Zwischenzeit bangen Überlegungen ausgeliefert.

Wird Öl nur noch in Kleinstmengen verkauft? Oder wird aus Gold aufgrund neuer technischer Möglichkeit Öl gewonnen? Oder ist der Juwelier des Vertrauens in Zukunft der Tankwart? So abstrus all diese Gedanken erscheinen mögen, so sind sie dennoch nicht weniger abstrus als die Palette an Ideen, die Politiker derzeit bieten, um die Märkte komplett zu vergrätzen. Fairerweise muss allerdings an dieser Stelle erwähnt werden, dass selbst vernünftige Ideen seitens der Politik nicht mehr als solche aufgefasst werden, weil gerade beim Thema EU und Euro sichtbar wird: Richtlinien und Gesetze sind Makulatur. Das sogenannte Europäische Haus war ursprünglich als schickes Reihenhaus mit Dachterrasse im Grünen geplant und endete als Wellblechhütte auf kontaminiertem und vermintem Gelände. Und niemand weiß so recht, wie das Haus dort landen konnte.

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Laut Umfragen geben sechs von zehn deutschen Bürgern an, dass sie überhaupt keine Ahnung haben, was jetzt eigentlich das Kernproblem der Eurokrise ist. Das ist schon mal ein gutes Zeichen. Wenn 60 Prozent des Volkes quasi ähnlich durchblicken wie die Kanzlerin, braucht sich Angela Merkel keine Sorgen um ihre Wiederwahl machen. Denn als Kanzlerin muss sie schließlich die Mehrheit hinter sich haben. Das zu schaffen ist weitaus schwieriger, wenn sie die Eurokrise begriffen hätte. So aber ist sie einfach eine aus dem Volk. Sie schaut nicht auf ihre Untertanen herab, sondern gemeinsam mit ihnen mit dem Ofenrohr ins Gebirge. Darum macht sie ja auch immer nur in Südtirol Urlaub, um nicht dauernd das Ofenrohr mitschleppen zu müssen. Das sorgt für Solidarität und somit in letzter Konsequenz auch für Rückhalt.

Dass es diesen Rückhalt für Merkel tatsächlich gibt, beweisen die neuesten Zahlen aus dem Reich der Demographie. Die Deutschen kriegen wieder mehr Kinder. Rein statistisch gesehen kriegt die deutsche Frau von nebenan nicht mehr 1,35, sondern 1,37 Kinder oder so ähnlich.

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Steigende Geburtenraten sind immer ein Zeichen für Zuversicht. Und das steckt an. Wenn plötzlich 0,02 Kinder mehr pro Frau einem auf der Straße begegnen, ist doch gleich eine ganz andere Stimmung um einen herum. Wer Kinder in die Welt setzt, sät und erntet Verantwortung. Das weiß auch Frau Merkel. Und deshalb ist sie kinderlos. Als Kanzlerin ist man zwar verantwortlich, muss aber nie die Verantwortung übernehmen.

Die Verantwortung des sich immer freudiger vermehrenden Bürgers hingegen ist vielschichtig. Erst setzt man mehr Kinder in die Welt und kümmert sich um sie. Und dann hofft man natürlich, dass mehr Kinder automatisch eher in der Lage sind, mehr Verantwortung für die Eltern später zu übernehmen. Das kennt man aus früheren Geschichten aus hochentwickelten Regionen unterhalb der Schwellenländer. Dort wusste man schon immer: Auf den Staat ist kein Verlass. Wer auch als Rentner ein menschenwürdiges Dasein führen will, muss viele Kinder in die Welt setzen, die den Eltern Nestwärme plus betreutes Wohnen garantieren.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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Wenn in Deutschland nun also mehr Kinder geboren werden, ist das auch ein Reflex auf das kluge Agieren der Kanzlerin in der Eurokrise. Wenn sie demnächst wie üblich auch beim Thema Eurobonds einknickt, forciert sie damit griechische und italienische Verhältnisse in Deutschland. Auch und gerade bei der Familienplanung. Sinkender Wohlstand wird in der deutschen Bevölkerung die Großfamilie und archaischere Umstände begünstigen. Genau das ist das große Plus der Eurokrise. Eigentlich ist es eine Schande, dass die Erosion der EU nur der Korruption und Tölpelhaftigkeit der Politiker geschuldet ist und nicht von Haus aus konzeptionell vorgesehen war. Sich gedanklich mit einem neuen Auto oder dem nächsten Luxusurlaub zu beschäftigen ist äußerst stupide und dient nur der Befriedigung von Ersatzsehnsüchten. Aber am Mittagstisch zu sitzen und mit dem Ehepartner zu wetten, ob nun Sohn 1 oder Sohne 2 sich als unfähig erweist, den Suppenlöffel frei von Grobmotorik vom Teller zum Mund zu führen, das gibt einem das Glücksgefühl, das Leben im Großen und Ganzen im Griff zu haben.

Natürlich werden dann sofort auch wieder Investmentbanken versuchen, auf die Kinder ihrer Ex-Kunden zu wetten statt auf marode Staatsanleihen. Aber das ist zu verschmerzen. Wenn nicht gar zu begrüßen. Denn Banken mischen nur dort mit, wo sie sich was versprechen. Nur Leerverkäufe von Kindern sollten verboten sein.