Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat sich noch Mitte Oktober 2004 bei Außenminister Joschka Fischer (Grüne) für großzügige Visa-Erteilung an chinesische Touristen nach dem in der Visa-Affäre umstrittenen Reisebüroverfahren eingesetzt. "Im europäischen Wettbewerb um die wachsende Zahl chinesischer Gäste ist die zeitnahe Visa-Erteilung ein wichtiger und nicht zu unterschätzender Faktor", heißt es in dem Schreiben, das der Nachrichtenagentur DPA vorliegt.
Die durch die EU erleichterte Visa-Erteilung für Reisende aus China könnte nach Befürchtungen des Auswärtigen Amts "für Visumserschleichungen missbraucht werden" hatte die "Welt" berichtet. Deutschen Sicherheitsbehörden lägen Hinweise vor, dass chinesische Tourismusunternehmen und Speditionen von Schleusern gezielt unterwandert und genutzt werden können.
Gleiches Einfallstor wie bei Ukrainern
Mit einem seit September 2004 angewendeten Abkommen zwischen EU und China wurde das Reisebüroverfahren für 13 Schengenstaaten vereinbart. Dabei werden für Gruppenreisen Visa über bei der chinesischen Regierung akkreditierte chinesische Reisebüros vergeben, ohne dass die Antragsteller persönlich vorsprechen müssen. Dieses Verfahren galt als eines der Einfallstore beim Visa-Missbrauch in der Ukraine.
Seit der Reiseerleichterung ist die Zahl der Visaanträge bei der deutschen Botschaft in Peking stark gestiegen. Koch schrieb an Fischer: "Es sollte im gemeinsamen Interesse von Bund und Ländern liegen, die Ausstellung der Visa so zu gestalten, dass sie nicht zu einem Nadelöhr für chinesische Touristen wird." Hessen sei bei den Übernachtungen chinesischer Gäste führend in Deutschland und wolle diesen Vorsprung ausbauen. Der Ministerpräsident geht dabei davon aus, dass Reisende aus China "auch unter Sicherheitsaspekten nicht zu den Problemgruppen gehören".
Jürgen Chrobog, Staatssekretär im Außenministerium, hatte dagegen im Dezember vorigen Jahres in einem Brief an das Bundesinnenministerium Befürchtungen über möglichen Missbrauch geäußert. Die Bundesregierung regte nach Angaben des Auswärtigen Amts darüber hinaus in Brüssel an, das Abkommen mit China monatlich von der EU überprüfen zu lassen.