Vor EU-Gipfel Schäubles Pläne für ein vereintes Europa

Mehr Kompentenzen für Brüssel, mehr politisches Zusammenwachsen und vielleicht sogar ein neues Grundgesetz. Vor dem EU-Gipfel hat Finanzminister Wolfgang Schäuble einen Weg skizziert, wie die Zukunft der EU aussehen könnte.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat mehr Kompetenzen für Brüssel gefordert. "Bislang haben die Mitgliedsstaaten in Europa fast immer das letzte Wort. Das kann nicht so bleiben", sagte Schäuble dem "Spiegel" laut einem Vorabbericht. "Wir müssen in wichtigen Politikbereichen mehr Kompetenzen nach Brüssel verlagern, ohne dass jeder Nationalstaat die Entscheidungen blockieren kann." Als Beispiele habe Schäuble eine Weiterentwicklung der EU-Kommission zu einer Regierung, eine Stärkung des EU-Parlaments und die Direktwahl eines Präsidenten genannt.

Angesichts einer notwendigen weiteren politischen Integration der EU-Mitgliedsstaaten hält es Schäuble zudem für möglich, dass schon in wenigen Jahren ein neues Grundgesetz zur Abstimmung stehen könnte. "Wann es so weit sein wird, weiß ich nicht, weiß wohl keiner. Vor ein paar Monaten hätte ich noch gesagt: In fünf Jahren? Nie im Leben! Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher", sagte Schäuble dem Magazin auf die Frage nach den Grenzen der deutschen Verfassung und einem möglichen Europa-Referendum. Auf dem EU-Gipfel in der kommenden Woche würden Vorschläge für eine vertiefte Integration vorgestellt, so Schäuble.

Das Europa der Zukunft werde aber kein föderaler Staat sein nach dem Vorbild der USA oder der Bundesrepublik. "Es wird eine eigene Struktur haben. Das ist ein hochspannender Versuch."

Im Idealfall gibt es einen europäischen Finanzminister

Schäuble lehnte Eurobonds weiterhin ab, solange es keine Fiskalunion gebe, in der Nationalstaaten Kompetenzen in der Haushaltspolitik abträten. Auf die Frage, wie die Fiskalunion aussehen müsse, damit Deutschland europäische Staatsanleihen akzeptiere, sagte er: "Im Optimalfall gäbe es einen europäischen Finanzminister. Der hätte ein Vetorecht gegen einen nationalen Haushalt und müsste die Höhe der Neuverschuldung genehmigen. Wofür die Länder das bewilligte Geld ausgeben würden [...], bliebe ihnen innerhalb der genehmigten Obergrenze überlassen."

Schäuble warnte zugleich davor, die gemeinsame Währung aufs Spiel zu setzen. Es bestehe "die Gefahr, dass bei einem Auseinanderbrechen des Euro" viele Errungenschaften wie der gemeinsame Binnenmarkt oder die Reisefreiheit in Frage gestellt würden. "Aber ein Auseinanderbrechen der EU wäre doch absurd. Die Welt rückt immer enger zusammen, und in Europa würde jedes Land wieder seine eigenen Wege gehen? Das kann, darf und wird nicht sein!", sagte Schäuble.

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nik/AFP/DPA

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