Treffen von Bund und Ländern Was beim "Impfgipfel" auf der Tagesordnung steht

Spahn zur Corona-Lage: Müssen Öffnungsschritte vielleicht zurücknehmen
Spahn zur Corona-Lage: Müssen Öffnungsschritte vielleicht zurücknehmen.
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Sehen Sie im Video: Spahn über Corona-Lockdown – Müssen Öffnungsschritte vielleicht zurücknehmen.




O-Ton Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister: "Wir können AstraZeneca wieder einsetzen, aber eben umsichtig mit informierten Ärztinnen und Ärzten. Und entsprechend aufgeklärten Bürgerinnen und Bürgern. Wir haben, Stand gestern Abend, über sieben Millionen Deutsche, die erstgeimpft sind. Das ist jeder zehnte Erwachsene in Deutschland. Es geht heute weiter mit dem Impfen und es geht heute weiter, auch über die Frage, wie wir es weiter beschleunigen könnten. Sie wissen, spätestens in der 16. Kalenderwoche, der Woche vom 19. April, ist vorgeschlagen seitens der Gesundheitsminister. Ich hätte nichts dagegen, wenn wir früher in den Hausarztpraxen beginnen könnten und das miteinander vereinbarten. Die steigenden Fallzahlen könnten bedeuten, dass wir in den kommenden Wochen keine weiteren Öffnungsschritte vornehmen können. Im Gegenteil, vielleicht sogar Schritte rückwärts gehen müssen. Damit wäre das Verständnis und die Zustimmung der Öffentlichkeit dafür erhalten, sollten wir uns hier idealerweise auf einheitliche Regeln verständigen. Deutschlands großer Erfolg im bisherigen Verlauf der Pandemie sind die im internationalen Vergleich geringen Fall- und Todeszahlen. Eine Überlastung des Gesundheitssystems konnten wir die gesamte Pandemie hindurch bis heute verhindern. Und das muss auch in den nächsten Wochen unser gemeinsames Ziel sein."
Wo steht die Impfkampagne in Deutschland – und wie geht es weiter? Darüber wollen Bund und Länder bei einem Gipfeltreffen beraten. Ein zentrales Ziel ist es: schneller zu werden. 

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder beraten am heutigen Freitag (ab 15 Uhr) über konkrete Maßnahmen, wie die Corona-Impfkampagne in Deutschland beschleunigt werden kann.

Dabei geht es unter anderem um die Frage, ab wann die Bürgerinnen und Bürger die Impfung in den Hausarztpraxen erhalten können. Die Hausärzte sollen dann eventuell auch die Möglichkeit bekommen, von den strengen Vorgaben der Impf-Priorisierung abzuweichen, wenn sie dies aus ärztlicher Sicht für ratsam halten. Bislang ist von den Ländern geplant, dass die Hausärzte spätestens ab 19. April großflächig in die Corona-Impfungen einbezogen werden sollen.

"Es wird noch einige Wochen dauern, bis die Risikogruppen vollständig geimpft sind"

Nach der Wiederaufnahme der Astrazeneca-Impfungen hofft Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf ein schnelleres Impftempo in Deutschland. "Ich hätte nichts dagegen, wenn wir früher in den Hausarztpraxen beginnen könnten", sagte Spahn am Freitag in Berlin. Er betonte, Impfen sei ein "zentraler Schritt raus aus der Pandemie". Dies brauche aber Zeit. 

Die Impfkampagne war in Deutschland durch die Aussetzung der Impfung mit Astrazeneca für einige Tage wegen möglicher sehr seltener Blutgerinnsel im Gehirn ausgesetzt worden. Am Donnerstag erklärte die Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) nach einer Überprüfung den Impfstoff für "sicher und wirksam". Der Nutzen überwiege die Risiken. 

Es gebe in Europa allerdings noch nicht genug Impfstoff, um die dritte Welle allein durch Impfen zu stoppen. Es werde "noch einige Wochen dauern, bis die Risikogruppen vollständig geimpft sind". Deshalb seien gerade flächendeckende Testungen ein sehr wichtiges Werkzeug, um die Pandemie einzudämmen, aber "nicht die Lösung der Probleme".

Die derzeit steigenden Fallzahlen könnten laut Spahn dazu führen, "dass wir in den kommenden Wochen keine weiteren Öffnungsschritte vornehmen können – im Gegenteil, vielleicht sogar Schritte rückwärts gehen müssen". Um das Verständnis dafür in der Bevölkerung zu erhalten, sollte es einheitliche Regeln geben, sagte Spahn.

RKI warnt: Pandemie nicht laufen lassen – Jüngere gefährdet

Angesichts der fortschreitenden Impfungen bei den besonders gefährdeten Senioren hat das Robert Koch-Institut (RKI) vor einer möglichen Fehleinschätzung bei der Coronalage gewarnt. Wenn man nun denke, dass man das Infektionsgeschehen wegen dieser bisherigen Impfungen laufen lassen könne, komme es zu einem Schwenk hin zu den jüngeren Jahrgängen bei den Todesfällen und Intensivpatienten, sagte RKI-Vizepräsident Lars Schaade am Freitag. Er appelliere dringend, dies zu berücksichtigen.

"Wir sehen das jetzt schon auf den Intensivstationen, dass sich die Patienten dort ändern: Die werden jünger“, betonte Schaade. Noch sei der Anstieg der Fallzahlen auf den Intensivstationen zwar nicht so stark wie manche vielleicht erwarteten, aber das werde sich mit zunehmender Zahl an Infizierten ändern. "Dann werden wir nämlich immer mehr auch junge Patienten auf den Intensivstationen haben. [...] Die sind jetzt noch am allerwenigsten geschützt." Auch Virologen haben wiederholt vor einem solchen Szenario gewarnt.

Der Anstieg der Corona-Infektionszahlen in Deutschland verläuft nach Einschätzung des RKI wieder "ganz deutlich exponentiell". "Das Infektionsgeschehen gewinnt an Dynamik", so RKI-Vizepräsident Schaade weiter. Angesichts der raschen Ausbreitung der ansteckenderen Virusvariante B.1.1.7 stünden "leider wieder schwere Wochen bevor". Eine Verschlimmerung der Lage um Ostern, vergleichbar mit der Zeit vor Weihnachten, sei gut möglich.

Nach RKI-Zahlen vom Freitag ist die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner stark angestiegen: Die Sieben-Tage-Inzidenz liege demnach bundesweit bei 95,6. Am Donnerstag hatte sie noch bei 90, am Mittwoch bei 86,2 gelegen. Außerdem meldeten die Gesundheitsämter in Deutschland binnen eines Tages 17.482 Corona-Neuinfektionen – das sind etwa 5000 mehr als vor genau einer Woche.

DPA · AFP
fs

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