Schäuble im ZDF-Interview Das Ende des Klartext-Ministers

Von Samuel Rieth
Kürzlich warb er noch für einen "Grexit" auf Zeit, jetzt verteidigt Finanzminister Wolfgang Schäuble mit Blick auf die Bundestagsabstimmung das Rettungspaket für Griechenland. Doch in dieser Rolle kann er nicht überzeugen.

Eigentlich hätte das ZDF für dieses Interview keine Kameras gebraucht. Der Sender hätte sein Gespräch mit Wolfgang Schäuble nur in den Bundestag verlegen müssen. Denn sein eigentliches Publikum waren am Montagabend nicht die Bürger vor dem Fernseher. Sondern die Unionsabgeordneten, die am Mittwoch im Parlament für das dritte Hilfspaket für Griechenland stimmen werden. Oder eben – Schäuble bewahre – dagegen. Denn die Union fürchtet, die Zahl ihrer Abweichler könnte diesmal noch größer sein als bei der letzten Griechenland-Abstimmung.

Also empfahl Schäuble ein Ja zum Rettungspaket. In den letzten Wochen habe es "bemerkenswerte Veränderungen" gegeben. Das klang, als hätte er am Verhandlungstisch sein Wunschergebnis herausschlagen können. Dabei weigert sich etwa der Internationale Währungsfonds noch immer, das Hilfspaket ohne einen Schuldenschnitt für Griechenland zu unterstützen. "Ich habe meine Argumentation nicht gewechselt", betonte der Minister zwar in dem Interview, das am Montagabend ausgestrahlt wurde. Doch genau diesen Anschein kann er nicht vermeiden.

Vor wenigen Wochen empfahl Schäuble den Griechen noch, zeitweise den Euro zu verlassen. Dieser Tabubruch kam nicht nur bei den Wählern gut an. Der Minister schien auch den Unionsabgeordneten eine Stimme zu geben, die schon lange meinen, dass genug Milliarden nach Griechenland geflossen sind.

Doch die 60 Abweichler der letzten Griechenland-Abstimmung sind wütend. Spätestens seit ihr Fraktionsvorsitzender Volker Kauder ihnen gedroht hatte, sie zur Strafe aus wichtigen Ausschüssen zu werfen. Sie muss Schäuble für die Abstimmung gewinnen – und ihnen gleichzeitig das Gefühl geben, dass er ihre Bedenken ernst nimmt. Doch dieser Spagat gelang ihm nicht.

Den Grexit schließt er nach wie vor nicht aus

Die Konflikte von vor wenigen Wochen spielte Schäuble herunter, auch den mit seiner Chefin: "Die Bundeskanzlerin heißt Angela Merkel." Dass er so oder so ähnlich gleich dreimal sagen musste, was eigentlich selbstverständlich ist, spricht Bände. "Kein Blatt Papier" passe zwischen ihn und die Kanzlerin, meinte Schäuble mit süffisantem Lächeln. Seine angebliche Rücktrittsdrohung? Eine "Fehlinterpretation".

"Europa beruht auf Vertrauen", sagte Schäuble und  machte kaum einen Hehl daraus, dass von seinem Vertrauen in Griechenland nicht mehr viel übrig ist. Premierminister Tsipras wolle ja offenbar die Vertrauensfrage stellen, vielleicht gebe es bald schon Neuwahlen. "Politik verändert sich oft."

Ist der Grexit nun vom Tisch? Mit wie vielen Abweichlern ist bei der Abstimmung zu rechnen? Kommt gar noch ein viertes Hilfspaket? Deutliche Antworten blieb Schäuble schuldig. Der Klartext-Minister redet wieder wie ein ganz normaler Politiker. Sein Erfolg wird sich ablesen lassen an der Zahl der Nein-Stimmen am Mittwoch im Bundestag.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Als Schäuble den Satz beenden sollte "Meine beste Erinnerung an Yanis Varoufakis …", da begann er seine Antwort mit einem tiefen Seufzer. Zumindest der, so schien es, kam von Herzen.