ZUWANDERUNG Kompromiss in Sicht

In der Diskussion um eine grundlegende Neuregelung der Zuwanderung nach Deutschland zeichnet sich immer stärker eine Annäherung der Parteien ab.

In der anhaltenden Diskussion um eine grundlegende Neuregelung der Zuwanderung nach Deutschland zeichnet sich immer stärker eine Annäherung der Parteien ab. Sowohl der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, als auch Unions-Fraktionschef Friedrich Merz signalisierten am Freitag Gesprächsbereitschaft und den Willen zum Konsens. Die Vorsitzende der Zuwanderungskommission der Bundesregierung, die CDU-Politikerin Rita Süssmuth, rechnet noch in dieser Legislaturperiode mit einer Vereinbarung. Deutliche Differenzen gibt es allerdings bei der Frage des Familiennachzugs.

Struck bot der Union Gespräche über einen Konsens an. Wenn die Süssmuth-Kommission Anfang Juli ihre Vorschläge vorlege, sollten sich Koalition und Union sehr schnell zusammensetzen, um Gemeinsamkeiten auszuloten, sagte Struck der »Berliner Zeitung« (Samstag). Nach dem Kurswechsel der CSU, die nicht mehr auf einer Abschaffung des Asyl-Grundrechts beharrt, sehe er die Chance, alle zu lösenden Fragen einvernehmlich noch vor der Bundestagswahl 2002 zu regeln. Struck sprach sich für ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz aus und stimmte der Unions-Forderung zu, die zum Teil sehr lang dauernden Asylverfahren zu beschleunigen. Über den Bedarf ausländischer Fachkräfte sollte nach Vorstellung Strucks getrennt nach Branchen ein Gremium entscheiden, in dem Regierung, Länder und Verbände vertreten sind.

Bei dem erwünschten Zuzug qualifizierter Fachkräfte zeichnet sich eine breite Übereinstimmung für ein Quotenmodell ab, wo nach Alter, Berufserfahrung, Qualifikation und Sprachkenntnissen ausgewählt wird. Merz sprach sich für eine »aktiv gestaltende Einwanderungspolitik« aus. »Ich bin sehr dafür, dass wir uns in diesen Fragen einigen, aber das setzt Einigungswillen auf beiden Seiten voraus«, sagte er dem DeutschlandRadio Berlin. Die Regierung müsse ihre Vorschläge auf den Tisch legen. Die vom saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller geleitete CDU-Zuwanderungskommission will am Samstag bei einer Klausurtagung ihren Abschlussbericht erarbeiten, der am 7. Juni von einem Kleinen Parteitag beraten werden soll.

Unterschiedliche Vorstellungen beim Familiennachzug

Weit auseinander liegen die Positionen beim Familiennachzug. Müller will den Nachzug quotieren. Nach Vorstellung der Union soll außerdem das Zuzugsalter der Kinder herabgesetzt werden. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), nannte diese Vorschläge völlig abwegig. Auch Süssmuth äußerte sich im ARD-Morgenmagazin skeptisch. »Die wissen nicht, was sie tun«, sagte Beck dazu.

Die Vorschläge seien ein »klassisches Abschreckungsmodell«. Damit werde nicht nur die türkische Ehefrau abgehalten, sondern auch der erwünschte »Computer-Inder«. Wenn dessen Frau erst auf den Nachzug warten müsse und der 11-jährige Sohn gar nicht kommen dürfe, dann gehe der Spezialist nicht nach Deutschland, sondern in die USA. Diese Ansicht teilte auch Süssmuth. Bei eingeschränktem Familiennachzug blieben vor allem hoch qualifizierte Zuwanderer weg, sagte sie.

Nach Angaben Becks kommen jährlich etwa 70 000 Familienangehörige nach Deutschland. 26 000 davon seien ausländische Ehepartner von Deutschen. Weitere 26 000 seien Partner von in Deutschland lebenden Ausländern. 17 000 der nach Deutschland ziehenden seien Kinder.