Es ist schon erstaunlich, wie präsent dieser Wolfgang Schäuble derzeit ist. Gerade erst hat er sich, mit finsterer Mine und rauchendem Colt, als schwarzer Sheriff inszeniert und eine heiße Debatte entfacht, da verwandelt er sich, schwupps, vom Sicherheitsminister in den Integrationsminister und taucht als derjenige Regierende wieder auf, der mit allen Mitteln die Eingliederung der Muslime in die deutsche "Mehrheitsgesellschaft" vorantreiben will.
Unten die Gebrüder Grimm, oben die Islamkonferenz
So geschehen an diesem Mittwoch in Berlin, in den Räumen der ehrwürdigen Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in der Nähe des Gendarmenmarkts. Unten, im Erdgeschoss, bewahren Wissenschaftler ur-deutsches Kulturgut, tüfteln an einem Wörterbuch zum Werk der Gebrüder Grimm. Oben, da tagte die Deutsche Islamkonferenz (DIK), Schäubles Baby, um zu klären, wie eine Minderheit, die Muslime, sich den nun am besten in die deutsche Mehrheitsgesellschaft integrieren kann. Im September hatte Schäuble die Konferenz das erste Mal einberufen, alle halbe Jahre soll es so etwas wie Zwischenberichte geben, das ganze Kennenlern-Programm ist auf drei Jahre angelegt.
Was ist die Deutsche Islamkonferenz?
Die Deutsche Islamkonferenz (DIK) hat sich Ende September 2006 das erste Mal getroffen. An der Konferenz nehmen Vertreter des Staates, also von Bund, Ländern und Gemeinden und Vertreter der Muslime in Deutschland teil. Dabei ist die Auswahl der Muslime ebenso schwierig wie umstritten, weil es in Deutschland keine Organisation gibt, die einen echten Alleinvertretungsanspruch untermauern könnte. Deshalb hat das Innenministerium sowohl Vertreter religiöser Verbände eingeladen als auch Vertreter säkularer Muslime in Deutschland. Das Ziel war es, die Vielfalt des muslimischen Lebens hierzulande durch die Zusammensetzung der Konferenz wiederzugeben. Das Plenum der Konferenz, also alle knapp 30 Mitglieder, trifft sich alle sechs Monate. Dazwischen sind vier Arbeitsgruppen damit beauftragt, sich mit den Themenkomplexen "Deutsche Gesellschaftsordnung und Wertekonsens", "Religionsfragen im deutschen Verfassungsverständnis", "Wirtschaft und Medien als Brücke" und "Sicherheit und Islamismus" zu beschäftigen. Die Konferenz ist auf eine Dauer von insgesamt drei Jahren angelegt.
Am frühen Nachmittag, nach dreieinhalbstündiger Sitzung, hat Schäuble, der Integrationsminister, die Ergebnisse vorgestellt. Konkretes hatte er dabei freilich nicht zu bieten. Deshalb verlegt sich auch Schäuble darauf, die Tatsache zu preisen, dass man überhaupt ins Gespräch gekommen sei, hier der Staat und dort diese heterogene, vielfältige Gemeinschaft der Muslime in Deutschland.
Schäuble lobt den Dialog an sich
Schäuble sagte, dass alle der insgesamt knapp 30 Konferenzteilnehmer den Wert des Dialogs schätzten. Man komme gut voran. Und klar sei auch, dass dieser Dialog werde auf lange Sicht die Verantwortung der Muslime in der deutschen Gesellschaft verdeutlichen, aber auch zu einer Änderung der Mehrheitsgesellschaft führen werde. Schäuble, der Integrationsminister, hat in den vergangenen Monaten viel Lob für diese Dialogbereitschaft, für diesen Lernwillen erhalten, dafür, dass er, als Konservativer, alles daransetzt, Parallelgesellschaften in diesem Land zu bekämpfen.
Andererseits will Schäuble die Konferenz nicht als Wunschkonzert für einzelne muslimische Gruppierungen - oder deren Adelung - verstanden wissen, sondern als echte Plattform für einen kritischen Dialog. Deshalb, so sagte er, sei es hinnehmbar, dass indirekt möglicherweise auch Verbände mit am Tisch säßen, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stünden.

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Anerkennung als Religionsgemeinschaft
Damit bezog sich Schäuble auf die Islamische Organisation Milli Görüs, die im Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland eine wichtige Rolle spielt, der wiederum zu den Gründern des vor fünf Wochen gegründeten Koordinationsrates der Muslime (KRM) in Deutschland gehört. Der KRM, der von vier islamischen Verbänden getragen wird, soll der Regierung die Einheit der bislang arg zersplittert organisierten religiösen Muslime in Deutschland signalisieren, um so den Anspruch auf die Anerkennung als Religionsgemeinschaft zu untermauern. Die Anerkennung brächte vor allem steuerliche Vorteile mit sich.
Genau gegen diesen Schritt sperrte sich Schäuble jedoch. "Unser Religionsverfassungsrecht ist durch die jahrhunderte lange Erfahrung mit christlichen Kirchen geprägt. Nun wollen Muslime von den Freiheiten dieses Systems Gebrauch machen", sagte der Minister. Da gebe es an verschiedenen Punkten noch erheblich Klärungsbedarf. "Die muslimische Konferenz ist ein interessanter Verband, sie ist aber keine Religionsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes", sagte der Minister. Offen sei etwa, wie es die Muslime mit der Trennung von Staat und Religion hielten. Zudem sagte Schäuble, dass es zu der Freiheitsordnung des Grundgesetzes gehört, dass Jungen und Mädchen in Schulen gemeinsam unterrichtet werden. Daran, das machte Schäuble deutlich, wolle er auch nicht rütteln lassen.
"Wir müssen konkrete Ziele ins Auge fassen"
Kritischer als Schäuble wertete der KRM-Vorsitzende Ayyub Axel Köhler das Sitzungsergebnis. Er drang darauf, dass die Konferenz konkrete Ergebnisse hervorbringen müsse. "Wir müssen konkrete Ziele ins Auge fassen", sagte Köhler. Es kann nicht so weiter gehen, dass wir ziellos diskutieren. Wir brauchen eine 'Road Map". Wie die "Süddeutsche Zeitung" am Mittwoch berichtete, hatte es in einigen Arbeitsgruppen Streit um konkrete Inhalte gegeben.
Demnach hatten sich einige Muslime dagegen gesträubt, die Muslime auf eine nach ihrer Auffassung "schwammig" definierte deutsche Werteordnung festzulegen. Als positiv wertete der Berliner Innensenator Ehrhart Körting, SPD, die inhaltlichen Auseinandersetzungen innerhalb der Konferenz. "Wenn man sich besser kennenlernt, dann ist die Zeit der Höflichkeiten vorbei", sagte er. "Man kann dann Tacheles reden." Allein das sei schon eine Leistung der DIK. Vor Ergebnisdruck warnte Körting dagegen. "Die Konferenz wird Ergebnisse zeitigen. Aber man sollte nicht gleich verbindlich festlegen, wann das geschehen muss", sagte der SPD-Mann. Der Integrationsminister nickte.