Jetzt reicht‘s aber mit der ewigen Miesepetrigkeit! Stillstand? Deutsche Krankheit? Lächerlich! Wir haben ihn doch gerade erlebt bei seinem ersten großen Auftritt im Bundestag, unseren niegelnagelneuen, stahlharten Blut-Schweiß-und-Tränen-Kanzler, der jetzt endlich mit entschlossener Hand all das wegräumt, was seine 13 Vorgänger seit 1998 liegen lassen haben. Ja, Sie haben richtig gelesen: 13 Kanzler haben wir in den letzten fünf Jahren kommen und gehen sehen, jetzt genießen wir den 14. Sie haben seine Vorgänger bloß alle längst vergessen. Höchste Zeit, bei diesem rasenden Wechsel im italienischen Regierungstakt einen Moment innezuhalten und jene denkwürdigen Männer der Vergessenheit zu entreißen. Wir blicken zurück auf eine Ära des immer währenden Anfangs, eine Kette der Unvollendeten und Unvollender.
Es begann im Herbst 1998 mit dem jugendfrischen Reformkanzler, dessen Generationenbündnis mit der historischen Hausnummer 68 den Staub von 16 dürren Kohl-Jahren aus dem Land zu bürsten versprach. An seiner Seite schritt der rote Oskar, doch der verlor schnell die Nerven - und es kam zum ersten Kanzlerwechsel. Der Chaoskanzler übernahm das Regiment, und ihm gehörte ein verlorenes Jahr mit verlorenen Landtagswahlen, verlorener Linie und verlorenem Vertrauen. So schmerzlich waren die Verluste, dass wir hier kein weiteres Wort darüber verlieren wollen. Der Holzmann-Kanzler, Nummer drei, kippte den Hänger, rettete einen unrettbaren Baukonzern, wurde von den sich gerettet glaubenden Polieren auf den Schultern getragen. Bis ihn der Konsenskanzler zur Seite schob, der begriffen hatte, wie sich aus der Holzmann-Hütte ein prächtiger Palast zimmern ließe.
Der Spalter-Kanzler
Bündnis für Arbeit, Atomausstieg, Bosse-Poussieren, "Wetten, dass..."-Schmäh - die Sonne mochte gar nicht mehr untergehen über dem Reich des Alle-Versöhners. Nur die Opposition konnte er nicht versöhnen - also folgte der Spalter-Kanzler. Der trieb den Keil bis zur Wurzel in den schwarzen Baum, knickte einige morsche Äste und brachte seine Steuerreform mit dem großen Coup durch den Bundesrat. Triumph: Davon werden die sich nicht erholen!
Wir blicken zurück auf eine Kette der Unvollendeten und Unvollender
Taten sie aber doch, denn der Coupier wurde vom Kanzler der ruhigen Hand abserviert. Der glaubte, sein Vorgänger habe erledigt, was zu erledigen sei, und bis zur Wahl solle man tunlichst nix tun, um den Bürger nicht zu verwirren. Ruhig Blut, Leute, die Konjunktur kommt schon wieder. Wenn das mal gut geht, barmte da mancher. Ging es nicht, denn nichts geht auf Dauer gut in der Politik. Bewegung ist alles. Es kam der 11. September, und die schlappe Hand wurde weggesteckt. Fortan schleuderte der Kriegskanzler seine Speere: "Uneingeschränkte Solidarität" mit dem großen Bundesgenossen, deutsche Truppen in alle Welt, Verschrottung der letzten Abweichler in der Stahlpresse der Vertrauensfrage.

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Der Kriegskanzler
Doch nun nahten die Wahlen, und der Kriegskanzler hatte sein Pulver verschossen. Die Gegner jauchzten, er raufte sich die Haare: Womit siegen? Machtwechsel im Wochentakt: drei Kanzler, drei Anfänge. Zuerst der Flutkanzler, der unglaublich tatkräftig über die Dämme des Ostens stiefelte. Schon ganz gut, aber nicht gut genug. Also: Palmen für den Friedenskanzler. Krieg im Irak? Mit uns nie! Rauschender Beifall. Aber immer noch nicht gut genug. Das letzte Quäntchen besorgte der Schwindel-Kanzler: Kein Sterbenswort über Haushaltsloch und blauen Brief!
Sieg. "Kulturelle Hegemonie" von Rot-Grün, die strukturelle Mehrheit der Bürgerlichen gebrochen! Wir können gewinnen trotz verheerender Ökonomie! Ans Ruder tritt der Gewerkschaftskanzler: Bosse? Kenn ich nicht mehr. Geliebt werd ich nur von Syndikatssekretären. Welche Posten wollt ihr, Genossen? Aber da fehlt einfach der lange Atem, der historische Blick. Und den - rrrums! - hat der Neue, der Kinderkanzler aus Pisa. Geld in Krippen und Schulen blasen, das bringt die Lufthoheit über den Kinderbetten! Danach aber leider den Absturz in den Umfragen.
Der Kakophonie-Kanzler übernimmt die Lufthoheit über dem Gezeter der Ratlosen. Doch er ist nur Statthalter bis zum letzten Regimewechsel. Der Ruck-Kanzler, Anfänger Nummer 14 und Todfeind des seligen Konsens-Kanzlers, verspricht Schluss zu machen mit den ewigen Anfängen. Er heißt, reiner Zufall, wie der allererste.
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Ebenso gewiss ist aber, dass jeder Zauber auch ein Ende hat.