Dies ist ein Aufruf, kein Kommentar zur Schieflage der Nation - davon sind wahrlich genug geschrieben. Bewirkt haben sie wenig, um nicht gallenbitter zu bilanzieren: so gut wie nichts. Es ist ein Appell an all jene, die - meist ohne sich dessen bewusst zu sein - ein Instrument in der Hand halten, um die Dinge zu wenden. Denn es ist Zeit zur Gegenwehr. Zur Notwehr. Zeit, die Politik unter Druck zu setzen, statt das Land weiter von ihren Ausflüchten, ihrer Mutlosigkeit, ihren Mätzchen erdrücken zu lassen. Es ist Zeit, den Parteien die Nabelschnur abzuklemmen, aus der sie sich nähren, denn das ist das Einzige, was sie beeindruckt - außer dem Verlust von Macht und Pfründen.
Es ist Zeit für den Spendenstreik. Von Bürgern und Unternehmen. Unbefristet. Gegen alle in den Parlamenten von Bund und Ländern vertretenen Parteien. Gewiss: Kollektivhaftung ist ungerecht, aber in diesem Fall sollten wir das in Kauf nehmen. Denn dort, wo gehandelt werden muss, im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat, da mischen sie alle mit: die Sozial- und die Christdemokraten, die Grünen und die Liberalen, ja selbst die Postkommunisten. Das Streikziel: sie gemeinsam zum Entscheiden, zum Bewegen, zum Sanieren unseres Wirtschafts- und Sozialsystems zu nötigen. Ja: nötigen. Bloß nicht zu zimperlich!
Eine Krise ohne Ende
Denn geschieht das nicht, jetzt endlich, dann zerbricht und versinkt vieles in diesem Land. Alle, ausnahmslos alle Indikatoren deuten in diesen Tagen auf Krise ohne Ende: Wirtschaftswachstum sinkend, Arbeitslosigkeit steigend, Steuereinnahmen schrumpfend, Rentenkassen ausgefegt, Krankenkassen verschuldet, Pflegeversicherung gefährdet, Bundesetat wurmstichig, Länderhaushalte verfassungswidrig. Deutschland, Land auf Sand.
Der Spendenstreik könnte zum Warnruf werden. Schmerzhaft schrill in den Ohren der Parteivorstände - doch ohne Demokratie und Verfassung zu beschädigen. Brechen wir den Druck der Untätigen mit dem Gegendruck der Ungeduldigen! Sparen wir die Politik instand!
Brechen wir den Druck der Untätigen mit der Revolte der Ungeduldigen
Die Erstattung der Wahlkampfkosten aus dem Steuersäckel kann den Parteien ja niemand nehmen, diese verlockenden Propaganda-Prämien setzen sie schließlich im Kränzchen der Kopfgeldjäger selbst fest; aber da Mitglieder davonlaufen, ist die Kassenlage prekär (die FDP hat 30 Millionen Euro Schulden aufgehäuft, wollte von Journalisten gar 30 Euro Eintrittsgeld für ihren nächsten Parteitag kassieren). Ohne Spenden würde es dramatisch: Im Jahr 2000 hat die SPD 12,6 Millionen Euro aus den Blüten staatsbürgerlicher Barmherzigkeit (oder lobbyistischen Kalküls) gesaugt, die CDU 28,5, die CSU 6,9, die FDP 8,5, die Grünen 4,3 und die PDS 3,5 Millionen. Haben oder nicht haben macht das Doppelte, sagt der Volksmund.

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Und der spricht auch ein vernichtendes Urteil über die Kompetenz der Parteien. 52 Prozent der Deutschen glauben, dass keine von ihnen mit den Problemen der Republik fertig wird, ermittelte das Forsa-Institut für den stern. Der Kanzlerpartei SPD trauen das jämmerliche 13, der Union kaum weniger klägliche 28 Prozent zu. Ein durchaus gerechtes Urteil: Nach 20-jähriger nationaler Reformdebatte entdeckt die SPD gerade, dass sie erste zaudernde Pläne ihres Vormannes zunächst dringend intern zu diskutieren hat. Und die CDU schlägt erst mal gar nichts vor, denn es wäre ja blöd, sich den Streit der anderen auch noch an den Hals zu holen. Der grüne Reformmotor stottert dazu verhalten, der liberale ist abgewürgt.
Schwer wiegende Deformation des demokratischen Systems
Dahinter verbirgt sich eine schwer wiegende Deformation des demokratischen Systems: Die Parteien (und die in Wahrheit von ihnen, nicht etwa vom Volk, ausgewählten Parlamentsfraktionen) sind von ihren Führungen rigoros kaltgestellt worden. Sie denken nicht mehr, sie folgen. Sie leisten nichts mehr für die Gesellschaft, sie ruhen auf ihr. Konzipiert (und konspiriert) wird in undurchsichtigen und demokratisch nicht legitimierten Zirkeln: in Hinterzimmern, Kommissionen und Talkshows.
Spendengeld für Parteien ist mithin da besser aufgehoben, wo es noch zum Denken gebraucht wird: in Stiftungen, Instituten, Schulen und Hochschulen. Stellen wir uns vor, die Vorstände und Geschäftsführungen spendabler Firmen beschlössen eine solche Umdüngung auf den Acker des Geistes. Und gäben das den Parteien auch noch schriftlich, unter Angabe der entgangenen Dotationen. Keinen Cent für niemand, bis zum Beweis des Wandels, könnte es in diesen Briefen heißen. Denn Leistung soll sich wieder lohnen.