Rasen für die Rente. So wurde vor Jahren das rot-grüne Projekt der Ökosteuer populär übersetzt. Gemeint war damit, dass ein Teil der Benzin-Steuer zur Finanzierung der Renten herhalten musste. 80 Milliarden Euro schießt der Staat jährlich zu - zehnmal so viel, wie er für Forschung übrig hat. Aus der Ökosteuer, 1999 eingeführt, stammten fünf Jahre später runde 16 Milliarden Euro. Sonst hätten die Rentenbeiträge um 1,7 Prozent höher gelegen, weit über 20 Prozent, eine schwere Hypothek für Arbeitnehmer, Betriebe - und Jobs. Die Ökosteuer, von Union und FDP einst vehement attackiert - obgleich Wolfgang Schäuble und andere Weitsichtige in der CDU stets Sympathie dafür hatten -, war und ist richtig. Sie besteuert Umweltbelastung, um das aus Beiträgen unfinanzierbar gewordene Rentensystem zu entlasten.
Qualmen und saufen für die Gesundheit. So könnte die populäre Übersetzung eines folgerichtigen zweiten Schrittes lauten, der nun auch die Krankenversicherung durch Steuern entlastet. Und damit - siehe oben - Beitragszahler, Betriebe und Jobs. Indem die Einnahmen aus den Genuss-Steuern - Tabak, Branntwein, Schaumwein, Bier, Kaffee und Alkopops - ins Gesundheitssystem eingespeist werden. Der Zusammenhang ist einfach, die Idee noch plausibler als jene der Ökosteuer: Was Gesundheit gefährdet, trägt auch zur Heilung bei. Je ausschweifender der Konsum und damit das gesundheitliche Risiko, desto höher der Beitrag des Rauchers und Trinkers.
Zunächst zum Grundsätzlichen: Die Große Koalition ist entschlossen, Steuern nun auch zur Finanzierung des Gesundheitssystems einzusetzen. Das ist im Prinzip so richtig und überfällig wie die bereits beschlossene und anhaltend angefeindete Mehrwertsteuererhöhung. Das 16-Prozent-Tabu musste fallen. Nicht etwa nur, weil damit aktuell Etatnöte behoben und die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung verbilligt werden. Einkommensteuern und Sozialversicherungsbeiträge runter, Verbrauchsteuern hoch - das ist die Gleichung einer dynamischen, Arbeit und Leistung belohnenden Wirtschaftspolitik. 19 Prozent Mehrwertsteuer schaffen, sobald der Druck der Staatsschulden nachlässt, neuen Gestaltungsraum dafür. Und partiell steuerfinanzierte Sozialsysteme sind nicht nur ein Gebot ökonomischer Klugheit, sondern auch sozialer Gerechtigkeit: Eine berechenbare Altersvorsorge, ein modernes Gesundheitssystem und eine verlässliche Grundsicherung bei Arbeitslosigkeit sind Aufgaben der gesamten Gesellschaft, nicht nur der Beitragszahler. Bloß: Nach der konjunkturell riskanten Mehrwertsteuererhöhung nun bei der Gesundheitsreform schon wieder, und das unter Umständen auch noch maßlos, an der Steuerschraube zu drehen würde dieses Prinzip gründlich desavouieren. Das Richtige wäre als falsch gebrandmarkt. Ein wenig mehr Anstrengung muss der Politik schon abverlangt werden.
Das ist das Stichwort fürs Praktische: Insgesamt rund 18,6 Milliarden Euro hat der Staat im vergangenen Jahr an Tabak-, Branntwein-, Schaumwein-, Kaffee-, Bier- und Alkopopsteuern eingenommen. Etwa 16 Milliarden Euro kostet die Kinderversicherung bei den Krankenkassen - sie ließe sich also aus dem geplanten Gesundheitsfonds leicht damit bezahlen. Egal, ob die Länder auf jene 800 Millionen Euro aus der Biersteuer verzichten, die nur ihnen zusteht. Der Bund könnte bei seiner desolaten Haushaltslage gewiss nicht sofort auf die Drogensteuern verzichten - in drei oder vier großen Schritten aber sehr wohl. Und am Ende komplett. Er wäre zum ausgleichenden Sparen und zum Umschichten des Haushalts gezwungen. Eine reizvolle Selbstverpflichtung. Anstelle des viel diskutierten "Gesundheits-Solis" auf die Einkommensteuer - mindestens aber zu dessen Ergänzung, falls die Steuerfinanzierung der Gesundheit noch weit ambitionierter ausfallen soll.
Gut 18 Milliarden Genuss-Steuern hat der Staat vergangenes Jahr kassiert - die Kinder in den Krankenkassen kosten nur 16 Milliarden.
Den ersten Schritt hat der Bund ja längst getan. 4,2 Milliarden Euro aus der Tabaksteuer fließen schon ins Gesundheitssystem - allerdings soll der Zuschuss nach den bisherigen Koalitionsbeschlüssen 2007 auf 1,5 Milliarden Euro gekappt und ein Jahr später ganz gestrichen werden. Die Revision dieses Plans könnte Auftakt sein für eine große strategische Operation - und das Ziel markieren. Hubertus Schmoldt, der reformfreudige Vorsitzende der Chemie-Gewerkschaft, scheint ähnlich zu denken: "Man wird sich aber auch Gedanken machen müssen, wo und wie Geld im Staatshaushalt umgelenkt werden kann", riet er kürzlich.
Steuern für die Gesundheit muss also keineswegs zwangsläufig höhere Steuern heißen. Kann es aber durchaus - später einmal, wenn das Gesundheitssystem in Not ist. Wer hätte nicht Verständnis dafür, wenn Raucher und Trinker zur Kasse gebeten würden? Da wäre jedenfalls nützlicher als Werbeverbote für Tabak und Raucher-Apartheid in Gaststätten.
Übrigens: Ich rauche und trinke. Gern und genussvoll.