Vizekanzler Robert Habeck hat vor einiger Zeit aus dem Innenleben des Kabinetts geplaudert. "Es gibt nicht nur ein gutes persönliches Einvernehmen, sondern 'ne echte persönliche Wertschätzung", wusste der grüne Wirtschaftsminister zu berichten, "fast eine Freundschaft." Äh, ja, das ist genau der Eindruck, den man zuletzt gewinnen konnte, als Ministerbriefe an die Öffentlichkeit durchgestochen wurden, Streitschlichtung durch den Kanzler erfolgen musste und die Regierung auch sonst den Eindruck machte, als sei es höchste Zeit, dass sie sich in der Sommerpause aus dem Weg gehen kann.
In der Politik gibt es das freundschaftliche Verhältnis
"Fast" eine Freundschaft. Habeck wird gewusst haben, warum er Vorsicht walten ließ. Echte Freundschaften sind Ausnahmen in der Politik – je weiter oben, desto seltener. Der Freund von heute kann der Gegner von morgen sein. Friedrich Merz und Markus Söder würden nie von einer persönlichen Freundschaft sprechen, obwohl sie doch politisch mittlerweile ganz dicke sind. Merz hat das bei einem gemeinsamen Auftritt mit Söder mal so formuliert: "Wir beide gehören nicht zu unserem engsten Freundeskreis jeweils. Aber ich würde sagen, Markus, ja: Wir sind befreundet in der Zusammenarbeit in der CDU und der CSU." In solchen Fällen spricht man gern von einem freundschaftlichen Verhältnis. Das ist ein politischer Begriff. Man harmoniert in der Öffentlichkeit, behält sich aber die Möglichkeit vor, hinter der Bühne über den anderen abzulästern. Das gilt natürlich nicht nur für Merz und Söder.
Interessanterweise scheinen sich in der Außenpolitik persönliche Freundschaften leichter zu entwickeln. Im Mai 2002 kündigte der damalige US-Präsident George W. Bush im Garten des Kanzleramts an, er wolle nach seiner Amtszeit noch einmal kommen, Berlin besichtigen und vielleicht mit "Görhard" Schröder angeln gehen. Ah, Moment, das ist kein gutes Beispiel. Bush kam nach seiner Amtszeit nie wieder nach Berlin, und Schröder brannte mit Wladimir Putin durch. Auch Angela Merkel, die Bush sogar auf seiner Ranch in Crawford besuchen durfte und mit den Worten empfangen wurde: "Wenn man in Texas jemanden nach Hause einlädt, ist das ein Ausdruck von Wärme und Respekt", hat heute Barack Obama zum Freund.
Respekt reicht manchmal auch
Die letzte echte Freundschaft auf der obersten Ebene der deutschen Politik dürfte die zwischen Peter Struck und Volker Kauder gewesen sein. Die beiden Fraktionschefs von SPD und Union wussten nach 2005, dass es auf sie ankommen würde, wenn die Große Koalition gelingen sollte. Aus einem notgedrungen freundschaftlichen Verhältnis (siehe oben) entstand über die Jahre tatsächlich etwas Persönliches.
Manchmal entsteht so etwas auch oder gerade zwischen Leuten, wo man es nie für möglich hielte: Angela Merkel und Sigmar Gabriel haben sich über die Jahre mögen gelernt, auch wenn Freundschaft ein zu großes Wort wäre. Beide haben einen ähnlichen Humor. Gabriel ist es zweimal gelungen, Merkel zu Auftritten in seine Heimatstadt Goslar zu lotsen, einmal als Kanzlerin, einmal als Ex-Kanzlerin. Beim zweiten Mal hat sie ihn sogar zu Hause besucht. Und wenn man in Goslar jemanden nach Hause einlädt, ist das auch ein Zeichen von Wärme.
Schließlich gibt es noch Politiker, die jahrzehntelang unendlich viel mit- und auch mal gegeneinander durchstehen und trotzdem nie Freunde werden. So wie Wolfgang Schäuble und Angela Merkel. Eines aber hatten sie füreinander: Respekt. Wenn man das vom aktuellen Kabinett auch sagen könnte, wäre schon viel erreicht.