Spektakulärer Grabungsfund: Archäologen haben in Magdeburg Überreste des Doms von Kaiser Otto dem Großen (912-973) entdeckt. «Dies ist einer der wichtigsten Funde zur Geschichte des europäischen Frühmittelalters», sagte Grabungsleiter Rainer Kuhn vom Landesamt für Archäologie am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die Forscher waren in der Vorwoche auf eine steinernen Gruft gestoßen. Nähere Analysen bestätigten nun die Vermutung, dass diese Grabstätte Teil des seit langem gesuchten Kaiserdoms war. Er gehörte vor tausend Jahren zu den prächtigsten Kirchen Europas.
«Jetzt muss das Geschichtsbild der Ottonenzeit in vielen Teilen komplett umgeschrieben werden», erläutert die Historikerin Babette Ludowici, Forscherin des Geisteswissenschaftlichen Zentrums für Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas in Leipzig. «Bisher dachten die Historiker, dass an jener Stelle des Magdeburger Domplatzes Ottos Königspfalz stand», sagt Ludowici. Die ottonische Kathedrale vermuteten sie hingegen unter dem heutigen Magdeburger Dom, der nach 1209 in der Nähe errichtet wurde.
Italienischer Marmor und glasierte Wandfliesen
Die nun entdeckten Fundamentreste gehören nach den Erkenntnissen der Archäologen zum Westflügel des ottonischen Doms. Dieser wurde im Jahre 955 von Otto gestiftet. In jener Zeit wurden überall auf dem Kontinent Größe und reiche Ausstattung des Magdeburger Doms gerühmt. Die aktuellen Funde belegen das: italienischer Marmor, wertvolle Glasmosaiksteinchen, glasierte Wandfliesen und farbiger Wandputz kamen bei den Ausgrabungen zum Vorschein.
Zudem muss das Gotteshaus geradezu monumentale Ausmaßen gehabt haben: «Einige der Fundamentgräben sind 3,20 Meter breit», sagte Ausgrabungsleiter Kuhn. Seiner Ansicht nach war das Bauwerk etwa 80 Meter lang und bis zu 60 Metern hoch. «Und bei nachgewiesenen 41 Meter Breite war es in jener Zeit neben dem Kölner Dom das größte Gotteshaus nördlich der Alpen.» Sehr wahrscheinlich wurde der Prachtbau 1207 bei einem verheerenden Stadtbrand schwer beschädigt, so dass der Magdeburger Erzbischof den Bau eines neuen Doms im modernen gotischen Stil etwa 50 Meter südlich beschloss.
Geschichte des frühen Mittelalters geprägt
Kaiser Otto der Große - bekannt auch als Otto I. - prägte die Geschichte des frühen Mittelalters in Europa maßgeblich mit. Zu seinen historischen Leistungen gehört die Schaffung des «Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation», dass bis 1806 erhalten blieb. «In Magdeburg hielt sich der Monarch am häufigsten auf, hier wurde die Politik des Reiches gemacht und in Magdeburg wurde er 973 beigesetzt», erläutert Historikerin Ludowici.
Für die Archäologen bleibt nun noch zu klären, wo denn die Königspfalz Ottos stand. «Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass sich dieser Palastbau weiter nördlich befand», sagte Kuhn. «Da würden wir gern einige Probegrabungen durchführen.»
Kaiser Otto der Große
Kaiser Otto der I. (912-973) wurde bereits von seinen Zeitgenossen «der Große» genannt. Er entstammte dem altsächsischen Adelsgeschlecht der Liudolfinger (Ottonen) und prägte die Geschichte des frühen Mittelalters in Europa maßgeblich mit. Zu seinen historischen Leistungen gehört die Schaffung des «Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation», dass bis 1806 erhalten blieb. Ottos durch taktische Manöver und blutige Kriege geprägte Innen- und Außenpolitik gab dem Reich seine Grundgestalt für das gesamte Mittelalter.
Otto I. wurde am 23. November 912 als Sohn des Sachsenherzogs Heinrich I. in Wallhausen bei Sangerhausen geboren. 929 heiratete er die angelsächsische Prinzessin Editha. Seither war Magdeburg der beliebteste Aufenthaltsort Ottos. Nach dem Tod des Vaters wurde er 936 in Aachen zum König der Sachsen und Franken gekrönt. 946 starb Editha und wurde in Magdeburg beigesetzt. Wenige Jahre später heiratete Otto I. die italienische Königin Adelheid und erlangte die langobardische Königswürde. Er besiegte 955 auf dem Lechfeld bei Augsburg die Ungarn und festigte seine Macht im Reich.
962 wurde Otto I. von Papst Johannes XII. zum Kaiser gekrönt. Sechs Jahre später erhielt er die päpstliche Zustimmung zur Gründung des Erzbistums Magdeburg («drittes Rom»). 972 erreicht Otto der Große die Anerkennung seines Kaisertums durch Byzanz und vermählte seinen Sohn Otto II. mit der byzantinischen Prinzessin Theophanu. Am 7. Mai 973 starb der Kaiser in der Pfalz Memleben im Unstruttal. Seine letzte Ruhestätte fand er im Magdeburger Dom.