Ohne Besatzung keine Hamas: Auf diese Formel lässt sich das Verhältnis zwischen Israel und der militanten Palästinenserorganisation durchaus reduzieren. Zwar gründete sich die Hamas 1987 im Gazastreifen als Ableger der Muslimbruderschaft, deren Zentrum damals Ägypten war. Doch ihre Ideologie und ihr Terror gediehen auf dem Nährboden der Perspektivlosigkeit von Millionen Palästinensern.
Der angeblich kompromisslose Widerstand gegen Israel ist und bleibt einzige Geschäftsgrundlage der Hamas. Darum ist die Miliz immer dann besonders gefährlich, wenn sich eine Verständigung in Nahost anbahnt. So wie vor dem 7. Oktober 2023, als ein Ausgleich zwischen Israel und Saudi-Arabien in Reichweite schien. Oder wie Mitte der 1990er-Jahre, als die Oslo-Abkommen zwischen Israel und der PLO die Aussicht auf begrenzte Selbstbestimmung eröffneten. Damals überzog die Hamas Israel mit einer Welle von Selbstmordanschlägen, die Hunderte Opfer forderten.
Bargeld aus Katar für die Hamas
Israel hat die Hamas über die Jahre sowohl bekämpft als auch benutzt. Doch nicht immer ist das Kalkül der Regierung aufgegangen. Premier Jizchak Rabin ließ 1992 über 400 inhaftierte Top-Kader der Miliz in den Libanon deportieren. Die libanesische Hisbollah nutzte die Gelegenheit, die radikalen Brüder aus Palästina in Bombenbau und Selbstmord-Attentaten zu schulen.
Dauer-Premier Benjamin Netanyahu war spätestens seit seiner Rückkehr an die Macht 2009 überzeugt: Die Hamas-Kontrolle in Gaza nütze Israel mehr, als sie schade. Denn sie schwächt die Autonomiebehörde in Ramallah und untergräbt so die Aussicht auf einen Palästinenserstaat. Um die Hamas über Wasser zu halten, gestattete Netanyahu Katar jahrelang, von Israel aus Koffer voller Bargeld in den abgeriegelten Gazastreifen zu bringen – wohl wissend, dass ein Großteil des Geldes in die Aufrüstung der Miliz ging. Militärs und Sicherheitsleute, die auf das wachsende Risiko hinwiesen, ignorierte er. Über eine Milliarde Dollar sollen aus Katar geflossen sein. Dazu kommen Geld und Waffen aus Iran. Die liberale israelische Tageszeitung "Haaretz" stellte nach dem 7. Oktober 2023 fest: "Netanyahu und die Hamas sind eine unausgesprochene politische Allianz eingegangen."
Hat Israel die Hamas erst groß gemacht? Diese Frage stellte stern-Leser Lothar Josef aus Mönchweiler. Steffen Gassel, diplomatischer Korrespondent des stern, beantwortet sie hier.