"heute wichtig" Aus dem Ukraine-Krieg ins deutsche Gästezimmer – wenn man Geflüchteten Wohnraum schenkt

Eine ukrainische Familie sitzt in einer deutschen Ferienwohnung bei einem Puzzlespiel
Viele ukrainische Familien kommen privat bei Deutschen unter, wie etwa hier in einer Ferienwohnung in Bad Düben in Sachsen
© Waltraud Grubitzsch / DPA
Zahlreiche geflüchtete Ukrainer:innen brauchen ein Dach über dem Kopf. Menschen wie die Hamburgerin Julia Kroß ermöglichen das, öffnen ihren Türen und nehmen die Geflüchteten auf unbestimmte Zeit in ihren vier Wänden auf.

Wer kennt das nicht: An Feiertagen oder auch einfach mal so kommt die Familie oder Freunde zu Besuch. Plötzlich ist die Wohnung oder das eigene Haus voll – die Geschwister schlafen auf der Couch, die beste Freundin im Kinderzimmer und den Eltern überlässt man das eigene Bett. Es ist wuselig und Privatsphäre gibt es kaum noch. So schön der Besuch auch ist – so schön ist es dann ja meist auch, wenn er wieder weg ist. Aber was ist, wenn man nicht weiß, wie lange dieser Besuch bleibt und der Besuch keine Familie oder Freunde sind, sondern erst mal wildfremde Menschen? Julia Kroß lebt normalerweise mit ihrem Mann in einem Haus und hat gerade so einen Besuch: nämlich geflüchtete Ukrainer:innen. Sie wusste sofort, dass sie den Menschen auf diese Weise helfen möchte. Nun sind sie zu siebt unter einem Dach und dieses Zusammenleben ist für sie und ihren Mann "anstrengend, aufregend, liebevoll, traurig, emotional [und] chaotisch." 

Fahrräder, Bettdecken und SIM-Karten 

Es ist aber nicht nur das Dach über dem Kopf, um das sich Julia kümmert. Sie organisiert über Kleinanzeigen beispielsweise Fahrräder und Bettdecken. Außerdem kontaktierte sie eine Sprachlern-App, damit die Ukrainer:innen so schnell wie möglich einen kostenlosen Zugang zum Deutschlernen bekommen konnten. Sehr glücklich macht sie auch, dass sie mit nur einer E-Mail mehrere kostenlose SIM-Karten für ihre neuen Mitbewohner:innen organisieren konnte. Leider läuft dennoch nicht alles so reibungslos, wie die aktuelle Hilfsbereitschaft, die Julia und die Geflüchteten gerade erfahren. "Ich kann nur den Kopf schütteln, dass sich Ukrainer:innen um vier Uhr morgens vor eine Behörde in die Kälte in den Regen setzen und dort 36 Stunden lang ausharren müssen. Wieso kann man nicht einfach eine Online-Terminvergabe machen?", erzählt die Helferin der ersten Stunde in Folge #236 von "heute wichtig". Enttäuscht ist sie auch davon, dass die Ämter weniger gut strukturiert sind, sobald die Geflüchteten registriert wurden und die Bürokratie ausschließlich auf Deutsch ist. Sie wünscht sich, dass die Dokumente und Checklisten wenigstens auf Englisch übersetzt würden.  

Michel Abdollahi
© TVNOW / Andreas Friese

Podcast "heute wichtig"

Klar, meinungsstark, auf die 12: "heute wichtig" ist nicht nur ein Nachrichten-Podcast. Wir setzen Themen und stoßen Debatten an – mit Haltung und auch mal unbequem. Dafür sprechen Host Michel Abdollahi und sein Team aus stern- und RTL-Reporter:innen mit den spannendsten Menschen aus Politik, Gesellschaft und Unterhaltung. Sie lassen alle Stimmen zu Wort kommen, die leisen und die lauten. Wer "heute wichtig" hört, startet informiert in den Tag und kann fundiert mitreden.

"Das Wichtigste ist, dass man Rückzugsorte für alle hat."  

Auch, wenn die Hamburgerin alle Menschen ermutigt, dass die Aufnahme Geflüchteter das Beste sei, was man tun könne, ist sie auch realistisch, dass nicht jede Wohnung der geeignete Ort ist. "Das Wichtigste ist, dass man Rückzugsorte für alle hat." Bei Julia Kroß und ihrem Mann schlafen die Ukrainer:innen im Gästezimmer und auf dem ausgebauten Dachboden und auch ihr ist es wichtig, dass sie die Tür schließen kann und Privatsphäre hat. Jemanden auf unbestimmte Zeit auf der Couch schlafen zu lassen, ist zwar realistisch, kann aber für alle Beteiligten auch belastend werden. Julia vergleicht das Zusammenleben wie in einer Familie, in der man genauso zusammen lacht, wie auch weint. Julia ist es wichtig, dass sie sich um den Einkauf kümmert und Lebensmittel besorgt, damit die Ukrainer:innen ihr Geld in Deutschkurse und andere Dinge investieren können, die ihnen für die Zukunft helfen. Dafür bestehen ihre Gäste aber auch darauf, sich um den Haushalt zu kümmern und so erzählt sie mit einem Schmunzeln: "Bei uns sah’ es noch nie so sauber aus."  

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