"Wir wurden in einer Gesellschaft erzogen, wo wir grundsätzlich nicht mit dem Gendern aufgewachsen sind, und es kostet uns immer effektiv Energie, wenn wir anfangen, unsere Sprache umzustellen. Menschen brauchen guten Gründe, warum sie diese Energie investieren sollen", sagt Tobias Barth vom Debattierclub Hamburg in der 473. Ausgabe des Podcasts "heute wichtig". Außerdem sei es für Menschen generell schwer, aus Mustern auszubrechen.
Streit- und Reizthema Gendern
Doch diese Alten Muster tragen dazu bei, dass alte Stereotype in den Köpfen immer weiter verfestigt werden, wenn eben nicht gegendert wird. Barth sagt in der Debatte mit "heute wichtig"-Host Michel Abdollahi: "Wenn wir über den Arzt reden, denken wir im Kopf an einen Mann und das konnten viele Studien nachweisen. Es gibt dann wiederum Wörter in der deutschen Sprache, wie Hausfrau oder Krankenschwester, die sind feminin konnotiert und die sind wegweisend dafür, wie wir uns selbst entwickeln."
Dem kann Tove Hortmann, ebenfalls vom Debattierclub Hamburg, überhaupt nicht zustimmen, sie vertritt die Position, dass andere Faktoren eine viel größere Rollen spielen als eben nur das Gendern: "Ich bin ohne das Gefühl aufgewachsen, irgendwas nicht zu können, nur weil ein bestimmtes Label dransteht. Und das hat nicht unbedingt mit der Sprache zu tun, sondern mit Vorbildern, die man hat und wenn man die richtigen Rollenvorstellungen und Werte hat, dann macht ein :innen oder die gegenderte Sprache den Kohl auch nicht mehr fett."
"Sprachpolizei" und Missverständnisse
Was besonders auffällt, ist, wie emotional die Debatte in der Öffentlichkeit geführt wird. Oft fühlen sich Menschen schnell angegriffen, dann fallen Worte, wie die "Sprachpolizei" oder es wird versucht, die Diskussion mit dem Nicht-Argument zu beenden, man hätte aktuell doch wohl ganz andere Probleme als das Gendern. Warum ist das das so, warum fühlen sich viele Menschen direkt so persönlich angegriffen? Tobias Barth glaubt: "Dass ein Druck auf die Menschen aus der Gesellschaft ausgeübt wird, Gendern zu müssen. Wenn wir jetzt darüber sprechen und sagen, alle die nicht gendern, sind eher aus dem rechten Milieu, fühlen sich die fast 75 Prozent der Menschen, die Gendern nicht befürworten, über einen Kamm geschert und das führt natürlich zu einer Verhärtung dieser Fronten."
Und auch Tove Hortmann hat den Eindruck, dass Menschen, die aus Gewohnheit eben nicht gendern, direkt als diskriminierend abgestempelt werden.
Ob man gendert oder nicht, am Ende ist es allen Menschen freigestellt, wie sie sich ausdrücken. Zum Teil gibt es Empfehlungen, zum Beispiel in einigen Unternehmen, doch eine allgemeine Verpflichtung gibt es eben nicht. Jede und jeder darf frei entscheiden, wie sie oder er sprechen und schreiben möchte, ganz ohne Sprachpolizei.
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