Es ist kaum zu ermessen, wie groß der Druck sein muss, der in diesen Tagen auf dem Bundeskanzler lastet. Um kurz vor 13 Uhr wird Olaf Scholz an diesem Mittwoch von der Regierungbank aufstehen, sein Sakko zurechtzupfen und an das Rednerpult schreiten. Es folgt eine einstündige Regierungserklärung. Scholz hält an diesem Tag seine erste große Parlamentsrede nach dem Rauswurf der FDP aus der Koalition – und er muss es dabei allen recht machen.
In der SPD wird seine Kanzlerkandidatur von mehr und mehr Leuten als aussichtslos angesehen. Das Vertrauen der Bürger in ihn sinkt seit dem Koalitions-Aus weiter. Seine Partei will einen Kämpfer sehen, viele Bürger wohl einen Staatsmann. Diesen Balanceakt muss Scholz schaffen. Und Friedrich Merz? Der Favorit auf die nächste Kanzlerschaft spricht nach Scholz. Greift er ihn wieder hart an oder gibt er diesmal den Staatsmann?
Und welche Gemeinheiten hält eigentlich der bayerische Ministerpräsident Markus Söder für seinen ersten Auftritt im Deutschen Bundestag parat? Der stern ist mit einem Reporter-Team live im Parlament dabei.
die Regierungserklärung des Kanzlers und Reaktionen darauf dürften nur ein erster Vorgeschmack auf den Bundestagswahlkampf gewesen sein. Also? Kanzler Scholz inszenierte sich in seiner Rede als Versöhner, als Regierungschef, der etwas von Kompromissen verstehe. Das gab, klar, scharfen Widerspruch von Unionsfraktionschef Merz, der Scholz gern im Amt ablösen würde – und überzeugt ist, alles besser machen zu können. Rückendeckung für Merz gab's von Markus Söder, dem CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsidenten, der während seiner ersten Rede im Bundestag ab und an ins Bierzelt abdriftete.
Wir verabschieden uns an dieser Stelle, liebe Leserinnen und Leser, auf stern.de informieren wir Sie natürlich weiterhin über die wichtigsten Entwicklungen. Die Erklärung können Sie hier jederzeit nachlesen.

Davor hatte der machtbewusste Bayer den Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz in ungewohnter Deutlichkeit den Rücken gestärkt. Dieser sei führungsstark und kompetent. Na, immerhin. Und das aus Bayern.
Britta Haßelmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen, giftet danach in Richtung der Union, es ginge im Wahlkampf von Friedrich Merz offenbar um eine von Söder "betreute Kanzlerkandidatur". Irgendwas ist immer.

„It's time to say Goodbye, Herr Scholz!“
Markus Söder spricht zum ersten Mal im Bundestag

Weidel bringt es auf diese Formel: "Die Deutschen wollen Normalität und sie haben ein Recht darauf. Sie wollen Arbeit, sie wollen Sicherheit und sie wollen Wohlstand."
„Die Deutschen wollen Normalität und sie haben ein Recht darauf. Sie wollen Arbeit, sie wollen Sicherheit und sie wollen Wohlstand.“
"Nun zur Union“, moppert Weidel. Die habe alles an "vernünftigen Lösungen“ von der AfD abgeschrieben, würde sich hinter der Brandmauer zur AfD "verstecken“. Vor allem CDU-Chef Merz bekommt eine Breitseite, Weidel wirft ihm Machtgier und Eitelkeit vor. Doch einer ihrer Vorwürfe sorgt auch für einige Lacher, selbst der Kanzler grinst: "Mit Ihnen als Ersatz-Scholz kommt Deutschland nicht voran", sagt Weidel an Merz.
Er selbst wolle dazu beitragen. Seiner eigenen Fraktion habe er in den vergangenen Jahren "schmerzliche Kompromisse" abverlangen müssen, sagt Mützenich, aber diese seien "notwendig" gewesen. Selten dieser Sound, aber typisch Mützenich.
"Erfahrung, Besonnenheit, Solidarität" seien nun die Eigenschaften, auf die es ankomme – und der Bundeskanzler und die SPD mitbringen würden. Zum Stichwort Besonnenheit fügt Mützenich an, dass er dankbar dafür sei, dass Kanzler Scholz nicht "leichtfertig" jene Waffen an die Ukraine geliefert habe, wie im Parlament gefordert (auch von Lindner eben): den "Taurus"-Marschflugkörper. Dieser würde eine "Verwicklung in den Krieg" herbeiführen, ist Mützenich sicher.
„Das Ende der Koalition war schmerzlich, aber unausweichlich.“SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich

Eine Befreiung, so hatte Lindner seine Rede ja begonnen, war das Aus für ihn offenbar trotzdem. Das Schlussplädoyer des Liberalen: "Das Land muss wieder von links in die Mitte geführt werden."