Liebeserklärung Chicken-Wings-Duft, Papagei im Handgepäck und neue Freunde – Erinnerungen an zehn Jahre Flixbus

Wartende Passagiere stehen vor einem Flixbus
Reisen mit dem Flixbus schonen den Geldbeutel. Noch mehr, wenn man über Nacht fährt und sich damit bei An- und Abreise den Preis für zwei Übernachtungen spart. Dass diese Taktik mich oft wertvollen Schlaf gekostet hat, verbuche ich als Teil des Erlebnis. 
© Ralph Peters / Imago Images
Man könnte sagen, wir haben viel durchgemacht, der Flixbus und ich. In den zehn Jahren, die die grünen Gefährte mittlerweile in Europa unterwegs sind, sind wir durch Höhen und Tiefen gerollt. Die Erinnerungen, die aus den vielen Flixbus-Reisen entstanden sind, waren die Strapazen immer wieder wert.

Meine erste Flixbus-Fahrt endete, noch bevor ich überhaupt im Bus saß. Damals, vor neun Jahren, sollte ich für ein Wochenende nach Hamburg fahren, mich Hals über Kopf in die Hansestadt verlieben und sie als meine spätere Wahlheimat auserwählen. Hätten meine müden Augen am frühen Morgen bloß das Ticket genauer studiert, dann hätten sie vielleicht bemerkt, dass die Abfahrt entgegen meiner Annahme NICHT für 7.30 Uhr, sondern für 6.30 Uhr geplant war (dass halb sieben und 7:30 zwei verschiedene Uhrzeiten sind, sollte mir später in dieser Geschichte noch einmal zum Verhängnis werden). Bei der Flixbus-Hotline war man sehr hilfsbereit und buchte mich auf eine spätere Fahrt um. Die Liebesgeschichte mit Hamburg konnte also doch ihren Lauf nehmen. Und so auch die Liebesgeschichte mit dem Flixbus.

Inzwischen bin ich Flixbus-Profi: Oropax und Schlafmaske gehören zur Grundausstattung 

Natürlich gibt es diese schlaflosen Nächte, in denen man sich zusammengefaltet in unmöglichen Positionen auf seinem Platz wälzt, diese Sitznachbarn, deren letzte Dusche schätzungsweise vor zwei Monaten stattgefunden hat, diese stinkenden, engen Bus-Toiletten und diese endlos langen Fahrten, die durch Stau auf der Autobahn noch länger werden. Aber all diese kleinen Ärgernisse wiegen nichts im Vergleich zu dem, was Flixbus bietet: Für sehr kleines Geld durch ganz Europa reisen. Und das – zumindest meiner Erfahrung nach – oft zuverlässiger und bequmer als mit der Bahn. Vor genau zehn Jahren weihte das Bus-Unternehmen seine erste Linie zwischen München und Nürnberg ein. Seither wächst Flixbus – abgesehen von den Corona-Jahren – rapide. Im vergangenen Jahr beförderte das Unternehmen 60 Millionen Fahrgäste.

Darunter natürlich auch mich. Unzählige Mal bin ich in den vergangenen Jahren per Flixbus verreist. Entweder in den Urlaub, auf kurze Städte-Trips oder in meine Heimat bei Frankfurt. Und fast jede Fahrt ist mit einer unvergesslichen Erinnerung verknüpft. Da war das eine Mal, als ich mit meiner Mitbewohnerin nach Brüssel gefahren bin und wir bei der Abfahrt den Bus vergeblich suchten, weil er nicht im grasgrünen Flixbus-Ton lackiert war. Als wir schließlich einstiegen, blieb uns nur noch der Platz neben der hinteren Türe, sodass uns bei jedem Halt ein Schwall eiskalter Luft in die Knochen kroch. Aus dem Fehler hatten wir gelernt: Bei einer Reise nach Prag einige Jahre später hatten wir uns zu Bus-Profis gemausert und waren früh genug da, um die letzte Reihe zu besetzen und dank Schlafmasken und Oropax das Geschehen um uns herum restlos auszublenden.

Statt einer Stunde im Flieger 13 Stunden im Flixbus

Da war das eine Mal, als wir einen Flug nach Zürich verpasst hatten (da ist es wieder, das Problem mit den Uhrzeiten) und stattdessen auf den Flixbus ausweichen mussten. Flixbus, der Retter in der Not. Aus einer Stunde Flug wurden somit 13 Stunden Busfahrt. Mein ungebrochener Rekord sind allerdings 17 Stunden nach Stockholm – eine kleine Tortur, aber die Flüge waren kurz vor Silvester schlicht zu teuer. Außerdem konnte ich in meinem Koffer, ganz im Gegensatz zu einem Ryanair-Flug, wenigstens unbegrenzte Mengen an Flüssigkeit (Glühwein) mitführen. Nach einer kurzen Pause in einem südschwedischen Dorf wollte mich der Busfahrer nicht mehr einsteigen lassen. Das lag aber nicht am Glühwein, sondern daran, dass er dachte, ich hätte kein Ticket. Obwohl ich es ihm wiederholt vorzeigte, regelte erst ein Anruf bei der Flixbus-Zentrale das Problem.

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Da war das eine Mal, als ich mich bei einer Reise nach Venedig plötzlich auf dem Bodensee wiederfand, weil der Flixbus das Gewässer via Fähre durchquerte. Eine malerische Aussicht, mit der ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Selbst in den USA bin ich mit dem Flixbus gereist. Als mir ein anderer Tourist im Hostel in San Diego vorschlug, mit dem Flixbus weiterzufahren, dachte ich, er meinte den US-Anbieter Greyhound. Tatsächlich hat das deutsche Unternehmen sein US-Pendant 2021 übernommen. Doch auch davor rollten die grünen Gefährte bereits durch Teile Nordamerikas. So saß ich also in der ersten Reihe meines altbekannten Flixbus, als am Horizont die Sykline von Los Angeles auftauchte. Damals freundete ich mich mit ein paar Mädels aus Irland an. Mit den vielen anderen Studenten und jungen Leuten, die den Flixbus als Low-Budget-Reisemittel nutzen, habe ich oft nette Bekanntschaften geschlossen. Etwa mit einer französischen Erasmus-Studentin, die mich sogar in Hamburg besuchte.

Möbelstücke im Gepäck und ein Papagei in der Handtasche

Ansonsten bietet die Flixbus-Klientel wahlweise Material für interessante Sozialstudien oder mittelgroße Wutanfälle. Letzteres zum Beispiel bei einem Mann, der mitten in der Nacht lautstark telefonierte und dabei den Bus mit dem Duft von Chicken Wings erfüllte, von denen er gleich einen ganzen Eimer auf seinem Schoß stehen hatte. Damals war ich von Kuba über Manchester nach Düsseldorf geflogen, musste noch zurück nach Hamburg und wünschte mir nichts sehnlicher, als zu schlafen. Dann gibt es noch die Fahrgäste, die scheinbare ihren Umzug mit dem Flixbus zu bewältigen versuchen und ganze Möbelstücke ins Gepäckfach am hinteren Ende des Busses stopfen. Oder die Leute, die Haustiere schmuggeln. Denn sowohl Hunde als auch alle anderen Tiere sind von der Beförderung eigentlich ausgeschlossen. Das hielt eine Frau neben mir aber nicht davon ab, ein Papagei in ihrer Handtasche zu transportieren.

Ein Flixbus auf der Passstrasse des Gotthardpass in der Schweiz
Klar fährt man mit den Flixbus oft entlang grauer Einöde auf der Autobahn, doch manchmal hat man aus dem Busfenster auch eine spektakuläre Aussicht, wie hier am Gotthardpass in der Schweiz
© Pius Koller/ / Picture Alliance

Wann immer ich mit dem Bus in die Heimat reiste, erwartete meine Familie mit Spannung die Geschichten aus dem Flixbus. Oder dem "Fixbus", wie meine Oma ihn einst nannte. Damit war sie immerhin näher dran als mein Vater, der einmal in einem grandiosen Versprecher wissen wollte: "Fährst du mit BlablaCar oder Netflix?" Das passiert heute nicht mehr – Flixbus hat sich einen Namen gemacht, ist inzwischen in mehr als 40 Ländern unterwegs und bedient neben Europa und Nordamerika auch Strecken in der Türkei und Südamerika. Mit "Flixtrain" hat der Konzern zudem auf die Schienen expandiert. Zwar macht Flixbus keine Angaben zu seinen Umsätzen, 2022 sei aber das bisher erfolgreichste Jahr gewesen, teilte Mitgründer und Vorstandschef André Schwämmlein zum Jubiläum mit. Die Einführung des Deutschlandtickets könnte dem Erfolg einen Dämpfer versetzen. Flixbus will in die Flatrate für Regional- und Nahverkehr zum monatlichen Preis von 49 Euro aufgenommen werden, doch bisher bleibt der Wunsch unerfüllt.

Auch ich bin für Reisen innerhalb Deutschlands mittlerweile eher auf die Bahn umgestiegen. Zwar sind die Bahnfahrten meist mit Verspätungen, Ausfällen oder anderen, bahn-typischen Problemen verbunden, dennoch sind die Züge meist schneller am Ziel. Seitdem ich mir eine Bahn-Card zugelegt habe, bewegen sich immerhin die Sparpreise-Tarife auf Flixbus-Niveau.

Aber für Reisen über die europäischen Landesgrenzen steige ich nach wie vor gerne in die grünen Gefährte. Wegen des Preises, wegen der Umwelt und natürlich auch wegen der Erinnerungen. Manche sind unangenehm oder abstoßend, manche lustig und skurril und andere sehr schön – so wie es sich für eine Liebesgeschichte eben gehört.

Quellen: Deutsche Presse-Agentur, "Süddeutsche Zeitung"

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