Zahlen aus 2022 stern exklusiv zur Bahn-Statistik: Mehr als 40.000 Züge fielen ersatzlos aus, über 80.000 Störungen

Deutsche Bahn: Ein ICE verlässt den Frankfurter Hauptbahnhpf
Die Deutsche Bahn verzeichnete im vergangenen Jahr allein rund 4700 Ausfälle von Fernverkehrszügen (Symbolbild)
© Arnulf Hettrich / Imago Images
Damit die Verkehrswende gelingt, muss die Deutsche Bahn besser werden. Doch im vergangenen Jahr lag erneut einiges im Argen, wie der stern exklusiv erfuhr: Zugausfälle und Störungen im Streckennetz waren auf hohem Niveau, Eröffnungen und Elektrifizierungen von Bahnstrecken kommen dagegen kaum voran. 

Der Warnstreik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) konnte abgewendet werden, Zugausfälle bleiben dennoch ein Problem der Deutschen Bahn. Denn Störungen und Ausfälle hat die Bahn nicht nur während der Streiks, sondern auch im regulären Betrieb. Von täglich rund 1600 Fernverkehrszügen der Deutschen Bahn (ICEs, Intercitys und Eurocitys) sind im vergangenen Jahr im Schnitt 0,8 Prozent wegen technischer Mängel an den Triebfahrzeugen ersatzlos ausgefallen, insgesamt rund 4700 Züge. Im Regionalverkehr waren es etwa 37.000 Züge (ca. 0,5 Prozent).

Deutsche Bahn kämpft mit marodem Schienennetz

Die Zahlen gehen aus einer Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage mehrerer Bundestagsabgeordneter der Linkspartei hervor, die dem stern exklusiv vorliegt. "Über 80 000 Störungen in einem Jahr sind nicht akzeptabel", kommentierte der Linken-Bundestagsabgeordnete Bernd Riexinger die Ministeriumsangaben gegenüber dem stern. "Das ist eine katastrophale Bilanz einer jahrzehntelangen verfehlten Verkehrspolitik." Das Mitglied im Verkehrsausschuss fordert deutlich höhere Investitionen des Bundes in die Bahn: "Auch Verkehrsminister Volker Wissing hat offensichtlich immer noch nicht die Dramatik einer dringend notwendigen Verkehrs- und Mobilitätswende erkannt", kritisierte Riexinger. "Die Ampel-Regierung muss dringend viel mehr Geld in die Infrastruktur investieren – der Bedarf liegt bei 100 Milliarden Euro."

Der Antwort des Verkehrsministeriums zufolge offenbarten sich 2022 nicht nur beim rollenden Material erhebliche Mängel. Auch kaputte Weichen, Signale oder Bahnübergänge sorgten immer wieder für Störungen des Eisenbahnbetriebs. 17.300 mal mussten Mitarbeitende der Bahn sich um Störungsmeldungen der Signale kümmern, 34.000 mal um Weichenstörungen und 32.000 mal um Störungen an Bahnübergängen. Fast 250 mal am Tag läuft also irgendwas zwischen Westerland und Berchtesgaden im deutschen Schienennetz nicht so wie es soll – mit entsprechenden Folgen für die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Bahnen in Deutschland. Insgesamt steckte die Deutsche Bahn im vergangenen Jahr rund 2,2 Milliarden Euro in die Instandsetzung der Gleisanlagen.

Reaktivierung und Neubau fast komplett am Boden

Doch nicht nur ein funktionierendes Schienennetz soll zum Gelingen der Verkehrswende beitragen. Weitere Bausteine sind Neubaustrecken, die Reaktivierungen stillgelegter und die Elektrifizierungen bestehender Bahnstrecken. Etwa 20.000 Kilometer des rund 33.000 Kilometer langen Schienennetzes hatten 2021 eine Oberleitung – im vergangenen Jahr kamen nach Auskunft der Deutschen Bahn 56 Kilometer hinzu. Ginge es in dem Tempo weiter, wäre das Ziel der Ampelregierung, 75 Prozent des Schienennetzes zu elektrifizieren, in knapp 90 Jahren erreicht – statt wie vorgesehen im Jahr 2030.

Auch in Sachen Neubaustrecken sieht es mager aus. Bundesweit wurden im vergangenen Jahr 138 Kilometer neuer Gleise eröffnet. Allein rund 117 davon entfallen auf Baden-Württemberg – hier wurde die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Wendlingen und Ulm fertiggestellt. In den übrigen Bundesländern wurden jeweils nur wenige Hundert Meter neuer Gleise eröffnet, einzig Bayern (14,4 Kilometer) und Sachsen-Anhalt (4,5 Kilometer) stechen etwas heraus. In Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Berlin und Brandenburg gibt es nicht einen einzigen Meter Neubaugleis.

Reaktivierungen von Bahnstrecken sind im vergangenen Jahr fast komplett zum Erliegen gekommen. Bundesweit wurden nur 7,7 Kilometer bestehender Gleise wieder in Betrieb genommen. Immerhin: Fünf neue Bahnhöfe entstanden 2022 in Deutschland.

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