Die Eisspäne fliegen nur so, wenn Junichi Nakamura aus Japan den vor ihm liegenden Eisblock mit der Fräse bearbeitet. Feiner weißer Eisstaub legt sich wie Puderzucker auf seine blaue Jacke. Mit einem Gebläse pustet er den Staub aus den Rillen des Daches für den japanischen Tempel, das er innerhalb weniger Minuten gezaubert hat. Geschwindigkeit ist keine Hexerei bei den 30 Männern und Frauen, die sich von Dienstag an im Rahmen der Lübecker "Iceworld" bei der Weltmeisterschaft der Eiskünstler messen. "Iceart" heißt die WM der Eisschnitzer, die in diesem Jahr erstmals in Deutschland und zum dritten Mal in Europa stattfindet. "Im Jahr 2000 war Österreich Austragungsland, 2003 war es Belgien", sagt der künstlerische Leiter der "Iceworld" und der "Iceart", Gert Hödl. "Dabei gibt es die Weltmeisterschaften der Eiskünstler schon seit mehr als 20 Jahren, aber diese Kunst ist in den USA, Kanada und Japan wesentlich populärer, als in Deutschland", sagt er. Der Österreicher aus Graz widmet sich seit rund zwei Jahrzehnten der Bearbeitung von Eis und hat für die "Iceart" die Weltelite der Eiskünstler nach Lübeck geholt.
Maximal 30 Stunden haben sie nach dem Reglement ihres Weltverbandes, der "National Ice Carving Association" (NICA) Zeit, um aus jeweils 16 Eisblöcken eine mindestens drei Meter hohe Skulptur zu zaubern. Unter seinen Mitbewerbern gilt Junichi Nakamura als haushoher Favorit. Der kleine, stets freundliche Mann von der japanischen Insel Hokaido, der zum Schutz vor der Kälte in der Thermohalle Ohrenschützer aus weißem Puschelfell trägt, nimmt seit 15 Jahren an Wettbewerben teil und hat schon jede Menge Preise eingefahren.
"Er ist ein echter Profi, in vielen Ländern außerhalb Europas kann man mit Eisskulpturen viel Geld verdienen", sagt der Niederländer Rolf Döderlein anerkennend. Er selbst verdient sein Geld als Lehrer an einer Tourismusfachschule und hat die Kunst des Eisschnitzens 1978 von japanischen Köchen in Amsterdam gelernt: "Wir haben bereits an sechs internationalen Wettbewerben teilgenommen, aber bislang immer nur den fünften oder sechsten Platz belegt".Andrej Besser und Vladimir Zhikhartsev vertreten Deutschland bei der Eiskunst-WM. Besser stammt aus Moskau, lebt aber in München. Sein Teamgefährte Zhikhartsev lebt in Alaska. Drei Goldmedaillen und eine Silbermedaille hat Besser bereits bei Eisskulpturen-Wettbewerben gewonnen. Dennoch arbeitet er in seiner Wahlheimatstadt München als Künstler hauptsächlich mit Holz und Farben. "In Deutschland kann man eher mit der Herstellung und dem Verkauf von Eisblöcken Geld verdienen, als mit deren künstlerischer Bearbeitung", weiß er.Die Sieger der "Iceart" werden bei der Eröffnung der "Iceworld" am 9. Dezember vor dem Holstentor bekannt gegeben werden. Vom 10. Dezember bis zum 23. Januar können Besucher die eisigen Kunstwerke bewundern. Die erste "Iceworld" im Jahr 2003 hatte rund 220.000 Besucher angezogen.