Bahnfahrern in Deutschland stehen turbulente Tage bevor: Die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) hat angekündigt, ab der Nacht auf Mittwoch für 48 Stunden im Fern- und Regionalverkehr zu streiten. Es ist deshalb davon auszugehen, dass es mindestens bis zum Freitag zu erheblichen Verzögerungen kommt. (Lesen Sie hier: Das müssen Sie zum Bahnstreik wissen)
Die Lokführer wollen damit gegen eine Nullrunde im laufenden Jahr protestieren, außerdem fordern sie 600 Euro Corona-Prämie sowie Einkommenssteigerungen von insgesamt 3,2 Prozent bei einer Laufzeit von 28 Monaten.
Bei vielen Kunden der Deutschen Bahn stößt die Streikankündigung auf Unverständnis. Deshalb war es einem User auf Twitter, der nach eigenen Angaben selbst als Lokführer arbeitet und sich an dem Streik beteiligen wird, ein Anliegen, seine Beweggründe zu erklären. In seinen Tweets geht "Cpt. CheesyCrust", wie er sich auf Twitter nennt, auf einige Vorwürfe ein.
Lokführer nehmen keine Rücksicht auf Pendler
Zu dem Argument, Lokführer hätten in der Corona-Krise nie in Kurzarbeit gehen müssen, schreibt er: "Kurzarbeit war vom Verkehrsministerium nie gewollt, damit die Leute zur Arbeit kommen." Seine Tätigkeit sei also offenbar "ein systemrelevanter Beruf". Doch wenn er und seine Kollegen "für einen Inflationsausgleich streiken" wollten, würden sie sofort beschimpft.
Der Streik dürfte vor allem viele Pendler hart treffen, die mit der Bahn zur Arbeit fahren und damit am Mittwoch und Donnerstag Probleme bekommen könnten. Diesbezüglich argumentiert der Lokführer, nach eigenen Angaben 36 Jahre alt, mit den Nachwuchsproblemen in seinem Job. Seine Kollegen seien im Schnitt Ende 50, er selbst sei der Jüngste auf seiner Dienststelle. "Wenn der Beruf weiterhin so attraktiv bleibt, kannst du dir mal die Frage stellen, wer dich in zehn Jahren auf die Arbeit fährt."
Schwierige Arbeitszeiten
Viele Bahnkunden reagieren auf den Streik mit Unverständnis, weil Lokführer ihrer Meinung nach bereits gut bezahlt würden. "Ein Großteil des Nettolohns sind steuerfreie Zuschläge", hält der Twitter-Lokführer dem entgegen. Bei Krankheits- oder Urlaubstagen würden diese wegfallen: "Werde ich morgen arbeitslos oder langzeitkrank, gehe ich dreistellig nach Hause."
Auch die Arbeitszeiten rechtfertigen aus seiner Sicht eine bessere Entlohnung: "Montags hat man eine Vier-Uhr-Frühschicht. Dienstags eine 16 bis 1 Uhr Spätschicht. Dann darf man gucken, wie man seinen Biorhythmus wieder auf früh geprügelt bekommt, denn am Donnerstag geht es um vier Uhr weiter." Auch die Verluste der Bahn sind für ihn kein Argument, vor allem, da die Manager weiterhin Boni kassierten.
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Nachwuchsproblem bei den Lokführern
Schließlich geht "Cpt. CheesyCrust" auch auf das Argument ein, er habe sich seinen Beruf selbst ausgesucht. "Ich mach den Job gerne, die Arbeitsbedingungen sind aber verbesserungswürdig", erklärt er. Und genau dafür gebe es nun einmal Gewerkschaften wie die GDL. "Ein Streik, der niemanden betrifft, führt halt zu nix", sagt der Lokführer – und fordert, dass auch die Reisenden Druck auf die Politik ausüben sollten statt gegen die Streikenden zu schimpfen.
Ansonsten könne es passieren, dass keiner mehr den Beruf des Lokführers ergreifen wolle. Schon jetzt gebe es ein massives Nachwuchsproblem: "Wer Lokführer werden will, hebt die Hand. Sofern er den Einstellungstest besteht, kann er morgen mit der Ausbildung anfangen. SO beliebt ist der Beruf. Wie in der Pflege karrt man schon Leute aus der EU hierher, um ihn auszuführen, weil kein 'Deutscher' ihn will."
Die Bahn bezeichnete den Streik als "Eskalation zur Unzeit". "Gerade jetzt, wenn die Menschen wieder mehr reisen und die Bahn nutzen, macht die GDL-Spitze den Aufschwung zunichte, den wir in Anbetracht der massiven Corona-Schäden dringend brauchen", teilte Personalchef Martin Seiler mit. Er kritisierte, die GDL habe sich nicht an ihre Ankündigung gehalten, den Kunden ausreichend Vorlauf vor dem Streikbeginn zu lassen. Auch der Fahrgastverband Pro Bahn nannte die Streikankündigung "deutlich zu kurzfristig".
Quellen:"Cpt. CheesyCrust" auf Twitter / DPA