Alitalia Rom gibt Gnadenfrist

Von Florian Eder (Mailand)
Italien zögert die Pleite der maroden Staatsairline Alitalia mit einer weiteren Geldspritze hinaus. Die scheidende Regierung unter Ministerpräsident Romano Prodi beschloss, 300 Millionen Euro in das Unternehmen zu pumpen, das täglich rund 1 Millionen Euro Verlust einfliegt.

Der künftige Ministerpräsident Silvio Berlusconi habe die Regierung gebeten, Alitalia einen größeren als den ursprünglich angepeilten Betrag zu leihen, um mehr Zeit für die Suche nach einem Käufer zu gewinnen, sagte Prodi am Dienstagabend nach einer Krisensitzung des Kabinetts. Zunächst war von einem Kredit von 100 bis 150 Mio. Euro die Rede gewesen.

Die alte Regierung vererbt mit dem Schritt ein industriepolitisches Desaster an die Nachfolger. Zuvor hatte die französisch-niederländische Fluglinie Air France-KLM endgültig Übernahmepläne für den Konkurrenten begraben, die als letzte Rettungsmöglichkeit galten. Unklar blieb zunächst, wie lange die Mittel reichen. Alitalias liquide Mittel beliefen sich Ende März auf nur noch knapp 200 Mio. Euro. "Bis Juni" braucht die Airline nach eigenen Angaben mindestens 750 Mio. Euro, um nicht Konkurs anmelden zu müssen.

"Es wird ein kurzfristiger Kredit", sagte Prodi. Finanzminister Tommaso Padoa-Schioppa räumte ein, ohne die Geldspritze wäre es zur Insolvenz gekommen. Der Regierung droht nun auch Ärger mit Brüssel. Die Europäische Kommission hatte bereits mitgeteilt, weitere staatliche Hilfen nicht zu genehmigen, weil sie gegen EU-Recht verstießen.

Berlusconi steht noch vor Beginn seiner Amtszeit im Mai vor einem Scherbenhaufen, den er im Wahlkampf selbst verursacht hat: Das Air-France-Angebot - das einzig vorliegende - hatte er als "arrogant" bezeichnet und eine "italienische Lösung" versprochen. Am späten Dienstagabend hatte Air France mitgeteilt, das im März vorgelegte Angebot sei "nicht mehr gültig". "Das ist wohl Alitalias Ende", sagte am Dienstag ein Alitalia-Manager der FTD. Luftfahrtexperte Edoardo Luini vom Analyseinstitut Il Nuovo Mercato sagte: "Eigentlich könnte so ein Darlehen nur gewährt werden, wenn die Gesellschaft privatisiert wäre und ein Käufer wartete. Ich glaube nicht, dass die EU das sonst akzeptieren wird." Der Staat ist mit 49,9 Prozent noch größter Alitalia-Anteilseigner.

Lufthansa als Profiteur?

Italienische Medien interpretierten vorsichtige Äußerungen als neues Interesse von alten Bekannten: So hatte Russlands Präsident Wladimir Putin nach einem Essen mit Berlusconi zwar seine Staatsairline Aeroflot beauftragt, ein Gebot zu erwägen. Das Unternehmen teilte jedoch lediglich mit, man warte auf eine Einladung zum Gespräch.

Auch die Bank Intesa Sanpaolo, die sich mit dem Regionalflieger und Lufthansa-Partner Air One für Alitalia interessiert hatte, äußerte sich zurückhaltend. "Es liegt nichts auf dem Tisch, und es ist zu früh zu sagen, ob da jemals etwas liegen wird", sagte Vorstandschef Corrado Passera. Die Lufthansa hatte trotz intensiver Werbung der Regierung Prodi nie für Alitalia geboten. Eine Unternehmenssprecherin sagte, die Haltung des Konzerns habe sich nicht geändert.

Die Lufthansa könnte Profiteur einer Alitalia-Pleite sein: Schon heute ist Italien größter Auslandsmarkt der Lufthansa in Europa. Mit der Tochter Air Dolomiti, der Schweizer Swiss Air und dem Code-Sharing-Partner Air One zieht die Lufthansa Kunden für Europa- und Interkontinentalflüge aus Italien ab. Der Mailänder Flughafenbetreiber SEA bestätigte, es habe schon Gespräche mit der Lufthansa über frei werdende Start- und Landegenehmigungen gegeben.

Auch mit der Billigairline Ryanair, die Interesse daran hatte, Malpensa zu einem Drehkreuz auszubauen, gab es bereits Gespräche. Sie und Konkurrent Easyjet sind beide stark in Italien vertreten.

Air France dagegen war bisher auf Alitalia angewiesen, um Passagiere aus Italien zu rekrutieren; die Airlines teilen Flugnummern und sind beide in der Allianz Skyteam vertreten. Aus Branchenkreisen verlautete, dass Air France auch deshalb das Risiko eines Gebots für Alitalia eingegangen war. "Es war klüger von Air France auszusteigen", sagte Analyst Jean Bruneau von der Bank Société Générale in Paris. Die Papiere von Air France schlossen am Dienstag mit einem Minus von knapp einem Prozent. Die Alitalia-Aktie wurde in Mailand vom Handel ausgesetzt, nachdem sie elf Prozent auf 0,55 Euro verloren hatte.

FTD

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