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Mobilität der Zukunft Nachtzüge statt Flüge: Wie die Coronakrise die Renaissance des Schlafwagens beschleunigt

Zugführer Edward Schofield vor dem neuen Alpen-Sylt-Nachtexpress, der seit diesem Sommer zwischen Westerland und Salzburg verkehrt
Zugführer Edward Schofield vor dem neuen Alpen-Sylt-Nachtexpress, der seit diesem Sommer zwischen Westerland und Salzburg verkehrt
© RDC Autozug Sylt GmbH
Die Deutsche Bahn hatte ihre Schlafwagen Ende 2016 ausrangiert. Doch die Nachbarländer setzten auf Nachtzüge. Mehrere Studien sprechen für einen Relaunch des innereuropäischen Nachtverkehrs auf der Schiene.

Die Coronakrise hat unser Reiseverhalten bereits verändert. Doch wie nachhaltig wird der Effekt sein? Nur wenige Monate nach dem Lockdown zeichnet sich bereits ein Trend ab: Airlines wie Lufthansa und Air France haben ihre Flugpläne für das Inland enorm zusammengestrichen. Der Billigflieger Easyjet, der in Berlin viele Strecken von der bankrotten Air Berlin übernahm, wird seine innerdeutschen Flüge zum Winterflugplan sogar ganz einstellen.

"Mit dem Nachtzug durchqueren wir Frankreich in einer Stunde: eine halbe Stunde zum Einschlafen und eine halbe Stunde zum Aufwachen", heißt es überspitzt in einer französischen Studie zur Zukunft der Nachtzüge in Europa. Abends einsteigen und morgens am Zielort aussteigen, so lautet das Motto dieser umweltfreundlichen Reiseform. So können in nur einer Nacht Distanzen von 1000 Kilometern bequem im Schlaf zurückgelegt werden, gerade auch auf Routen zwischen europäischen Großstädten.

Mit dem Zug durch die Nacht

Besonders die schweizerischen und österreichischen Bahnunternehmen betreiben bereits jetzt ein dichtes Netz von Nachtzügen. So können über Nacht ab der Schweiz elf europäische Metropolen erreicht werden, wie zum Beispiel Hamburg, Zagreb und Wien.

Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) erkannten das Potenzial bereits früher als andere Gesellschaften. Neben mehreren Verbindungen ab Wien nach Italien, Deutschland, Osteuropa und Brüssel haben sie auch die Lücke in Deutschland gefüllt, die durch den Rückzug der Deutschen Bahn entstand. Mit ihrem Nightjet verkehren sie auch auf den Strecken von Hamburg nach München und Zürich sowie von Berlin nach Zürich.

Im Moment Marktführer im Nachtreiseverkehr auf den Schienen: der Nightjet der ÖBB
Im Moment Marktführer im Nachtreiseverkehr auf den Schienen: der Nightjet der ÖBB
© ÖBB

Beim Nightjet handelt es sich um moderne Waggons mit drei unterschiedlichen Komfortbereichen: Sitz-, Liege- und Schlafwagen - letzterer wird als Single, Double und Triple angeboten und bietet einen Frühstücks-Service. Im Deluxe-Abteil gibt es sogar ein eigenes Bad mit Waschbecken, Dusche, WC und Handtüchern.

In diesem Sommer und Herbst ist bereits ein weiterer Anbieter in Deutschland hinzugekommen. Der Alpen-Sylt-Nachtexpress des privaten Unternehmen RDC Deutschland verkehrt zweimal pro Woche zwischen Salzburg und Westerland auf Sylt. Unter anderem kann in München-Pasing, Nürnberg, Frankfurt und Hamburg zugestiegen werden. An Bord werden die Passagiere morgens persönlich geweckt und in den Durchsagen mit "meine lieben Fahrgäste" angeredet.

Die Preise des Nachtexpress sind gerade für Familien attraktiv, unabhängig von der Entfernung. In Zeiten der Corona-Pandemie heißt es auf der Homepage: "Einmal benutzte Abteile bleiben nach Ausstieg der Reisenden für den Rest der Fahrt aus Hygieneschutzgründen leer."

Relaunch des innereuropäischen Nachtverkehrs

Vorreiter bei Nachtzügen sind die Österreicher, die in Zusammenarbeit mit der Firma Priestman Goode eine neue Generation von Intercity-Tages- und Nightjet-Züge entwickelt haben. Die Designer der Londoner Beratungsfirma haben bereits maßgeblich die neue Kabinenausstattung von Flugzeugen bei Swiss, El Al und United Airlines gestaltet.

Weiterte Impulse kommen von der französischen Staatbahn SNCF. Über viele Jahre wurde dort in das Hochgeschwindigkeitsnetz für TGV-Züge investiert, auf Kosten der Nachtzüge. Doch wollen die Franzosen ihre geografische Lage zukünftig besser nutzen und sehen laut einer Studie das Potenzial für ein System von 30 Nachtzugverbindungen. Bis zu zehn Millionen Passagiere würden sich als Alternative zum Flugzeug pro Jahr für eine Reise im Schlafwagen entscheiden, wenn diese in Bezug auf Preis und Komfort dem von Flugzeugen ähnlich wären.

So könnte das Nachtzug-Netz in Europa in zehn Jahren aussehen
So könnte das Nachtzug-Netz in Europa in zehn Jahren aussehen
© Dossier "Oui au train de nuit"

In einem zukünftigen Netzwerk würden Bahnhöfe wie Strasbourg, Lyon, Marseille und Barcelona zu neuen Knoten- und Umsteigepunkten im Nachtnetz werden. Der Vorteil: Im Gegensatz zu der Errichtung von separaten Schnellbahntrassen würden die Investitionen in neues "Rollmaterial", so der Name für die Wagen in der Sprache der Eisenbahner, nur einen Bruchteil betragen.

Nach Medienangaben liegen die Pläne bei der französischen Regierung auf dem Tisch und Emmanuel Macron hat sein Interesse bekundet. Dann könnte SNCF in einen noch kaum existierenden Markt eintreten und eine führende Rolle übernehmen.

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