Am Dienstag hat es mal wieder gegipfelt: Im Rahmen der Konferenz europäischer Verkehrsminister haben sich die vier Bahnchefs der Länder Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz auf einen angeblich "wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu den EU-Klimazielen" verständigt: auf vier neue Linien im Nachtverkehr innerhalb der nächsten vier Jahre.
"Abends in München oder Berlin in den Zug steigen und morgens entspannt in Paris oder Brüssel ankommen – mit unserem Trans-Europ-Express TEE 2.0 und attraktiven Nachtzugangeboten auf der Schiene sind wir künftig in Europa noch klima- und umweltfreundlicher unterwegs", lobte sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer selbst.
Dabei handelt es sich um alten Wein in neuen Schläuchen. Scheuer preist etwas als Innovation an, was er vom Abstellgleis geholt hat. Denn fast auf den Tag genau hatte sich die Deutsche Bahn vor vier Jahren komplett aus dem Nachtzuggeschäft zurückgezogen.
Über Jahrzehnte waren Schlaf- und Liegewagen die Stiefkinder der Bahn-Verantwortlichen. Es wurden kaum Investitionen getätigt, das Produkt galt als veraltet, Kunden wie Medien berichteten sogar öfters von Bettwanzen-Alarm – gebissen statt entspannt morgens am Zielbahnhof ankommen.
In die Lücke, die einst Bahnchef Grube hinterlassen hat, schlüpfte die Österreichische Bundesbahn mit ihrem Nightjet-Angebot. Auch die bahnfreundlichen Schweizer mit ihrer zentralen Lage in Europa setzen von jeher auf Bahnverbindungen über Nacht. Vor kurzem hat die französische Bahn das Potenzial in einer Nachtzug-Studie erkannt - der Klimaaktivistin Greta und der Friday-for-Future-Bewegung sei Dank. Das geänderte Klima-Bewusstsein in der Gesellschaft macht Druck und Dampf, um im Bild der Bahner zu bleiben.
Nicht der letzte Tango, sondern Talgo
Nun hat auch der DB-Vorstandvorsitzende gesprochen. "Europas führende Bahnen vereinen ihre Kräfte für den Nachtzug. Das ist ein guter Tag für das Klima, unsere Kunden und das Zusammenwachsen Europas auf der Schiene", so der momentane Bahnchef Richard Lutz. Doch die DB verlässt sich auf ihre Partner in den Nachbarländern, die das "Rollmaterial" zur Verfügung stellen. Dass das Unternehmen auch neue Waggons anschafft, wie die Österreicher, davon kein Wort.

Zu den neuen Nachtzugstrecken in Europa wurde ab 2023 die Route Paris/Brüssel-Berlin angekündigt. Dabei verkehren auf dieser Strecke seit Jahren die Euronight-Züge Paris-Moskau der russischen Staatsbahn.
Erst Ende 2024 soll ein Nachtzug auf der Strecke zwischen Barcelona und Zürich zum Einsatz kommen. Das ist auch nichts Neues. Anfang der 1990er-Jahre reiste ich bereits auf dieser Strecke mit dem spanischen Talgo.
Die Fahrt mit dem "Hotelzug", benannt nach dem katalanischen Cellisten Pau Casals, habe ich in angenehmer Erinnerung, inklusive dem Dinner im Speisewagen mit Blick aufs Mittelmeer und der zuvor erfolgten Spurumstellung der Fahrgestelle an der Grenze zwischen Spanien und Frankreich. Irgendwann in der Nacht wurde der Talgo halbiert: Ein Teil fuhr weiter nach Mailand, der andere in die Schweiz.
2012 wurde die Verbindung ersatzlos eingestellt. Was uns jetzt als Zukunft verkauft wird, ist nichts anderes als die Wiederbelebung eines vor Jahren ausgemusterten Verkehrsmittels.
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