"Champagner?", fragt die Stewardess. "Na, die Magentablette habe ich ja schon genommen", raunt die Dame vom Nachbarsitz herüber, zwinkert und hebt das Glas: "Auf eine schöne Reise." Ein Steward geht von Platz zu Platz, begrüßt alle Reisenden mit ihrem Namen. Auf dem Weg nach Dubai wird er Jakobsmuscheln und Entenbrust servieren, Taittinger Rosé nachschenken. Keine schlechten Aussichten.
"Traumschiff"-Atmosphäre um 9 Uhr morgens, und dabei steht das Flugzeug an diesem 28. Dezember noch in Hamburg auf der Startbahn. Der Silvesterkreuzflug von Hapag-Lloyd ist schließlich nicht irgendeine Flugreise. Ein Kreuzflug, begleitet von Reiseführern, die den Gästen ihr profundes Wissen vermitteln. Das klingt nach fliegendem Klassenzimmer, wo Schüler und Lehrer von einem Kontinent zum anderen und einem Weltwunder zum nächsten jetten. Eine Kreuzfahrt im Zeitraffer. Nur dass die Betten statt in schaukelnden Schiffskabinen in Hotels an den Etappenzielen stehen. Dubai, Hongkong, Kambodscha, Indonesien, Vietnam, Myanmar, Indien lautet die Länderroute des Silvesterkreuzflugs in nur 13 Tagen; an keinem Ort bleibt man länger als zwei Nächte.
Ganz Asien in zwei Wochen
Wer will so viel Stress im Urlaub? An Bord sitzen ein paar Alleinreisende und knapp zwei Dutzend Paare im besten Kreuzfahrtalter. "Zum Beispiel Männer, die ihren Frauen zeigen möchten, wo sie beruflich überall schon waren", sagt Wolfgang Peters. Viele sehen das straffe Programm als Plus. "Die sagen sich, zwei Wochen und ich habe Asien gesehen." Peters ist einer von zwei Lektoren, so nennt Hapag-Lloyd die fliegenden Reiseführer. Der gebürtige Sylter ist ein Klassenlehrer, wie ihn sich jeder Schüler wünscht. Schon in der Luft hält er mitreißende Vorträge über die angesteuerten Ziele, vor Ort führt er die Gruppe durch Suks und Tempel. Der 51-Jährige hat in seinem Leben mehr als 80 Länder bereist und in einigen, darunter Ägypten, länger gelebt. Oft begleitet er auch Kreuzfahrten auf der MS "Europa", viele Fluggäste kennen ihn.
Gewöhnlich finden in der Boeing 737-800 mehr als 180 Passagiere Platz, im Kreuzflugbetrieb sind es höchstens 52. Die Kabine ist komfortabel, der Abstand zwischen den beigefarbenen First-Class-Ledersesseln riesig - um die Sennheiser-Kopfhörer an der Rückseite des Vordersitzes abzunehmen, muss man aufstehen. Einige Gäste haben ihre Schuhe gegen Bordpuschen getauscht. Klar dass als Unterkunft an den Zielen ebenfalls nur das Fünf-Sterne-Niveau infrage kommt und lästige Formalitäten wie die Beantragung der Visa der Veranstalter erledigt.
Es gibt keinen Alkohol - aber Minibars
So viel Exklusivität hat ihren Preis. 30.950 Euro kostet das Ticket. Trotz der Wirtschaftskrise haben nur zwei Gäste storniert. Hier sitzen keine Spekulanten, sondern Ärzte, Professoren, Unternehmer. "Eigentlich sind wir zu jung für eine Kreuzfahrt", sagt ein Herr. Darum hätten er und seine Frau sich für die Flugvariante entschieden. Ein anderes Ehepaar hat bereits Expeditionsreisen zur See gemacht, berichtet von nächtlichen Schlauchbootausflügen zwischen Eisbergen. Bald plauscht man über Golf, Gourmetadressen, Kinder und Enkelkinder.
Inzwischen geht es, die schneebedeckten Karpaten im Hintergrund, dem Morgenland entgegen. Auch der Flugkapitän Erik Olsen hat sich vorgestellt und alle Passagiere persönlich begrüßt. Über dem wilden Kurdistan ergreift Wolfgang Peters das Wort, umreißt gewandt die Geschichte Dubais und warnt: "Meine Damen und Herren, bis morgen Abend wird das islamische Neujahr gefeiert, es gibt also keinen Alkohol. Aber Minibars!" Allgemeines Gelächter. Peters Conférencier-Talente kommen an. Eine Reisende sagt, sie habe nur seinetwegen die Silvesterreise gebucht.
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Erst Ende 2008 hat der Hamburger Schiffsreisenanbieter Hapag-Lloyd die luxuriösen Luftrundreisen wieder ins Programm aufgenommen. 1986 zählte er zu den Pionieren dieser Reiseform, stoppte das Angebot nach 14 Jahren aber wieder. Der Silvestertrip ist seit dem Neuanfang der zweite Kreuzflug, es folgen eine Afrika- und eine Südamerikareise, für den Herbst und zum Jahreswechsel sind erneut Asien und Nordafrika angekündigt.
Nach sechseinhalb Stunden fährt die Boeing die Landeklappen aus. Im Dunkel der Nacht glitzert die Wüstenmetropole Dubai fast so weitläufig wie Los Angeles. Eine Ärztin aus Rüsselsheim filmt orange erleuchtete Autobahnen, die schnurgerade ins Nichts fliehen. Das Paar auf der anderen Seite des Gangs löst Sudoku-Rätsel. Nach der Landung dauert es aber doch länger, als der Plan es vorsieht. Die Crew hatte schon an Bord die Reisedokumente eingesammelt, nun klaubt ein einzelner Zöllner umständlich Pass für Pass aus der Tasche und stempelt sie mit stoischem Gleichmut, wie um zu zeigen, dass es hier nichts Besonderes ist, am Terminal für Privatflieger anzukommen. Ganz anders als in Hamburg, wo der Security-Check keine drei Minuten dauerte und der Zollbeamte eine gute Reise wünschte.
Der Bordarzt ist auch Kofferträger
"In Thailand säße jetzt ein Dutzend Beamte am Schalter", frotzelt Peters und ignoriert die lächelnden Philippinerinnen, die zur Begrüßung eisgekühlten Orangensaft reichen. Er ist nervös, geht auf und ab, redet auf einen Angestellten ein, rollt mit den Augen. Eine halbe Stunde später sitzen endlich alle in den Bussen. Die aber nicht abfahren. Peters stöhnt über die arabische Mentalität: "Wie habe ich es nur viereinhalb Jahre in Ägypten ausgehalten?" Dann findet er seinen Humor wieder: "Willkommen in Dubai, dem sicheren und sauberen Land, wo alles tipptopp ist. Ganz wie wir Deutschen es mögen."
Im Park Hyatt Dubai sind die Anmeldescheine schon ausgefüllt. Kaum auf dem Zimmer angekommen, klingelt es und zwei Boys bringen die Koffer. Die Kreuzflieger reisen mit einem Bordarzt, und der fungiert praktischerweise nebenbei als Baggage Master, der sich um sämtliches Gepäck kümmert. Am nächsten Morgen trommelt Wolfgang Peters seine Gefolgschaft zur Busrundfahrt durch Dubai zusammen. Nach einem Fotostopp am Strand unweit des Protzhotels Burj Al Arab, das in Form eines Segels gebaut wurde, geht es in die historische Altstadt. Statt durch Wüstenstaub wandelt die Gruppe durch ein Dutzend hübsch sanierter Gassen über penibel gefegte Natursteinplatten. "Wenn Sie das echte Arabien sehen wollen, müssen Sie in den Oman fahren", sagt Peters. Und hat dann doch authentisches Lokalkolorit zu bieten: Im Stoff-Suk der Altstadt drängen sich zahlreiche Ladengeschäfte, in denen Inder zwischen Bergen bunt bedruckter Webwaren im großen Stil handeln.
Eifriger Lehrer, verlegene Schüler
Peters ist in seinem Element. In weiß-blau gestreiftem Hemd, beigefarbener Hose und schwarzen Halbschuhen wirkt er wie ein hanseatischer Makler, der mit etwas Verkaufsdruck durch eine leer stehende Villa führt. Dabei weiß er wirklich alles. Er erklärt die Bauweise der Kaufmannshäuser, dass die Türen aus Pappelholz sind und die Symbole auf den Portalen verraten, woher die früheren Bewohner kamen. Als ein Vogel schreit, horcht er auf. "Ein Bulbul", sagt der Lektor und erläutert, wo der arabische Verwandte der deutschen Nachtigall lebt und dass die Herren sich "Bulbul" bitte merken mögen - "es ist hier ein beliebter Kosename". Auch im Gebäude der örtlichen WWF-Niederlassung beweist er die Kenntnis einheimischer Arten. Er zeigt auf ein Tierschutzplakat, das einen hässlichen, aber bedrohten, weil wohlschmeckenden Fisch zeigt. "Den essen wir heute Abend." Seine Schüler grinsen verlegen.
Doch vorher ist das Mittagessen auf dem Creek dran. Der Priel, an dessen einem Ende Flamingos durch den Schlick waten, zieht sich durch Dubais Zentrum. Sanft schippert die zum Restaurant umgebaute traditionelle Dau an Handelsschiffen und der Altstadt vorbei und gewährt der Reisegruppe einen Blick auf die Schornsteine der ausgemusterten "Queen Elizabeth II", die derzeit zum Hotel umgebaut wird. Zurück im Park Hyatt bleiben gerade mal 90 Minuten, um das inmitten des sattgrünen 18-Loch-Kurses des Dubai Creek Golf & Yacht Clubs gelegene Hotel zu entdecken. Auf künftigen Kreuzflügen will Hapag-Lloyd mehr Zeit für Erholungspausen und private Unternehmungen einplanen.
Noch mehr Luxus? Auch das ist möglich! Lesen Sie auf der nächsten Seite wie
Neben dem hanseatischen Anbieter, der mit eigenem Flugzeug und eigener Crew startet, touren auch kleinere Anbieter in gecharterten Businessmaschinen durch die Welt. Im Juni umrundet der österreichische Anbieter HL Travel den Nordpol. Der Berliner Veranstalter Windrose besucht im Herbst afrikanische Städte und Steppen. Vista Travel aus Hamburg fliegt im November mit Halt auf Rapa Nui und Tahiti in 23 Tagen um die Erde. Bill Peach Journeys erkundet Australien und Neuseeland. Je nach Dauer und Hotelauswahl kosten solche Kreuzflüge zwischen 25.000 und 35.000 Euro. Das wohl umfassendste Luxusreisepaket verkauft der US-amerikanische Nobeltouristiker Abercrombie & Kent. Seine Luftrundreise führt in 26 Tagen einmal um den Globus mit diversen Stationen, darunter die Südseeinseln, Sydney oder das Tadsch Mahal. Der Preis: rund 97.000 US-Dollar.
Ein wenig mehr Exklusivität, bitte
Aber es geht noch exklusiver. À-la-carte-Kreuzflüge im Privatjet bekommen die Kunden bei Airtours. Manchmal lautet der Auftrag schlicht: Ich habe sieben Tage Zeit, will Europas schönste Städte sehen, im Sternerestaurant essen und im ersten Haus am Platz übernachten. Andere Kunden hätten eigenwilligere Vorstellungen, berichtet Airtours-Chefin Kirsten Feld-Türkis. Für einen Liebhaber spektakulärer Hotels wurde eine Reise zu allen aufsehenerregenden Neueröffnungen im Orient organisiert. Einen anderen interessierten Hochhäuser, "für den haben wir eine Reise durch die größten Städte der USA geplant und jeweils vor Ort einen Architekturexperten gebucht", sagt Frau Feld-Türkis.
Galadinner in der Wüste
Am späten Nachmittag scharen sich alle wieder um Wolfgang Peters. Es geht in die Wüste. Dino, Fahrer mit Wurzeln auf Sansibar, führt eine Gruppe von fünf Jeeps an, die in die Sandlandschaft preschen. Er hat sichtlich Spaß an der ruppigen Fahrt, der Wagen kippt über Sandkuppen, schießt Steilhänge hinab, rutscht quer zur Fahrtrichtung weg. Am Camp angekommen, ist manches Gesicht blasser geworden. Beim "Galadinner in der Wüste" ist dann aber alles wieder im Lot: Nach dem Begrüßungschampagner tritt ein Falkner auf, der seinen Vogel nach Fleischstücken schnappen lässt, die an einer Schnur durch die Luft wirbeln. Eine Frau erklimmt ein liegendes Kamel und reitet eine Runde, während die anderen Gäste auf das mit Perserteppichen ausgelegte Lager zusteuern, vorbei an Männern, die eine Aoud-Laute zupfen, und tief verschleierten Frauen, die Hennatätowierungen anbieten. Nur der Toilettenwagen ist irgendwo unterwegs im Sand stecken geblieben.
Die Sonne ist untergegangen, das islamische Neujahrsfest vorüber, und die Weinflaschen dürfen jetzt ohne schlechtes Gewissen entkorkt werden. Auf dem Rost über dem offenen Feuer raucht der bedrohte Fisch, dazu gibt es Hummus, Taboulé und Pittabrot. Der sternenbesetzte Wüstenhimmel funkelt, es wird kühl. Zu arabischer Popmusik hüpft eine Bauchtänzerin von Petroleumfackeln beleuchtet. Sie verbiegt und windet sich, blickt verführerisch in die Runde. "Bisschen dünn", mäkelt ein Mann auf dem Diwan. Am Ende klatscht er trotzdem.
Nächster Tag, nächstes Silvesterfest
Er weiß: Am nächsten Tag kann er den Jahreswechsel noch mal richtig feiern mit einem Feuerwerk in Hongkong. Den Neujahrslunch wird der Steward dann hoch über Kambodscha servieren, kurz bevor der Anflug auf Siem Reap beginnt. Keine 48 Stunden und zwei hinduistische Tempelanlagen später wird der Flieger in Richtung Yogyakarta in Indonesien abheben. Hier wartet nach dem Besuch der Tempelanlage Prambanan, eines Prunkstücks des Unesco-Weltkulturerbes, ein Abendessen in der Privatresidenz eines Prinzen. Am Tag darauf landet die Maschine in Ho-Chi-Minh-Stadt. Der ganztägige Bootsausflug durch die Wasserlandschaft des Mekongdeltas gilt als Höhepunkt der Reise. Das Jahr ist gerade eine Woche alt, und die Kreuzflugreisenden werden - nach einer Stippvisite in Myanmar - in der rosaroten Altstadt des indischen Jaipur den Palast der Winde fotografieren.
Als die Boeing 737 am Morgen des 9. Januar auf der Landebahn in Hamburg-Fuhlsbüttel aufsetzt, hat die deutsche Reisegruppe nahezu jede bedeutende Tempelanlage des Fernen Ostens gesehen. Und Wolfgang Peters freut sich auf ein paar Tage Ferien - ohne fliegendes Klassenzimmer.
Weitere Infos |
Airtours: Infos zu individuell geplanten Kreuzflügen unter Tel. 01805/98828 (0,14 Cent/Minute), www.airtours.de |
Hapag-Lloyd Kreuzflüge Infos über alle Routen und Preise unter www.hlkf.de |
HL Travel "Eisland"-Kreuzflug, 28.6. bis 14.7.2009, Tel. 0043/ 3463/55521, ab 26.794 Euro, www.hltravel.at |
Vista Travel Kreuzflug "Rund um die Welt", 5.11. bis 28.11.2009, ab 39.860 Euro, Tel. 040/30979840, www.vistatravel.de |