Es ist ein gespenstischer Konvoi, der sich durch die Landschaft schlängelt: Zehn Busse mit Touristen, vorne und hinten jeweils von einem Fahrzeug begleitet. Rechts und links der Route wacht an jeder Straßenkreuzung ein Militärposten. Die Fahrt geht über leere Straßen durch grüne Landschaft und trostlos anmutende Dörfer; es ist eines der wohl seltsamsten touristischen Angebote überhaupt - ein Tagestrip in die nordkoreanische Stadt Gaesong.
Für Hyogeon Ching ist es das erste Mal, dass er seine alte Heimat wiedersieht. Der 71-Jährige stammt aus dem Norden Koreas und ist während des Bürgerkrieges 1950 in den Süden geflohen. Heute sitzt der ehemalige Lkw-Fahrer nun frühmorgens im Bus Nr. 8 und ist gespannt auf die Fahrt in den kommunistischen Norden. So wie die anderen 400 Touristen, die für 180.000 Won (rund 115 Euro) die Tagestour mit traditionellem koreanischen Mittagstisch gebucht haben.
Zum ersten Mal ist seit 50 Jahren die Kurzreise von Südkorea in eine nordkoreanische Stadt möglich - die beiden Staaten befinden sich noch immer im Kriegszustand. Gebucht werden kann die Tour unter anderem über Hyundai Asan, dem Reisebüro des südkoreanischen Hyundai-Konzerns. Dessen Gründer stammt selbst aus dem Norden und hat aus patriotischen Gründen in Verhandlungen mit der nordkoreanischen Seite die Tourismusfahrten ermöglicht. Gleichzeitig gelang ihm die Einrichtung einer wirtschaftlichen Sonderzone auf nordkoreanischer Seite, in der nun für südkoreanische Firmen produziert wird.
Herzlich willkommen: Fotografieren verboten
Der Eintritt in die Welt des nordkoreanischen "Großen Führers" Kim Jong Il beginnt um sieben Uhr morgens mit einer bürokratischen Prozedur am Übergangsbahnhof Doransan: Die Touristen erhalten einen Besucherpass und vor allem eine Belehrung über das richtige Verhalten: Es ist streng verboten, fast alles in Nordkorea zu fotografieren, außer an genau bestimmten Plätzen. Verboten sind zudem Handys, große Ferngläser und Computer. Auch wer sich an die Steine lehnt, auf denen die Parolen von Kim Jong Il eingemeißelt sind, macht sich strafbar.
So instruiert beginnt für die Nordkorea-Touristen die Busfahrt in die Demilitarisierte Zone (DMZ). Das ist ein vier Kilometer breiter und über 200 Kilometer langer Geländestreifen, der seit dem Waffenstillstand von 1953 die beiden koreanischen Länder voneinander trennt. Diese Trennung ist bei weitem rigoroser als im früher geteilten Deutschland: Gegenseitige Besuche und Briefkontakte sind noch immer unmöglich. Für die Koreaner bedeutet die Teilung eine tief sitzende nationale Wunde, betrachten sie sich doch als eine große Familie. Nach zwei Kilometern durch mit Stacheldraht versehenes Gelände erreicht der Konvoi schließlich die nordkoreanische Seite der DMZ. Die erneute Passkontrolle hat etwas von einer bizarren Inszenierung: Im Kontrollgebäude empfängt die Besucher um 8.20 Uhr über Lautsprecher ein frohes "Herzlich-Willkommen-Lied", rechts an der Wand steht ein großer Spiegel, links eine große altmodische Standuhr mit Pendel. In der Mitte das nordkoreanische Militär in grüner Uniform.
Danach folgt die Busfahrt im Konvoi zu ausgesuchten Plätzen, die keine Gefahr des Kontaktes mit der Bevölkerung bringen. Erstes Ziel ist der Bak'yeon-Wasserfall, 27 Kilometer nördlich der nordkoreanischen Stadt Gaesong. Man kann auf dem abgeschirmten Gelände wandern und einen alten Tempel besichtigen, stets begleitet von aufmerksamem Wachpersonal in Zivil. Die Aufpasser sind höflich, freundlich und geschult: "Wir freuen uns über die Wiedervereinigung Deutschlands, bedauern aber das Ende eines kommunistischen Staates."
Außerdem steht auf dem Programm: Eine alte Steinbrücke aus dem Jahre 919, die Gebäude einer konfuzianischen Schule aus dem 16. Jahrhundert, ein 700 Jahre altes Himmelsobservatorium aus Stein. Diese historischen Stätten liegen inmitten der 130.000-Einwohner-Stadt Gaesong, doch ein Kontakt mit der Bevölkerung auf den Straßen ist nicht möglich: Wer sich von der Reisegruppe entfernt, wird sofort vom Wachpersonal angesprochen. Wer heimlich fotografiert, der muss vor den Augen eines Uniformierten das digitale Foto sofort wieder löschen.
Bei aller Kontrolle aber lässt es sich nicht vermeiden, dass die Tagestouristen aus den Busfenstern heraus die Realität in der nordkoreanischen Stadt wahrnehmen: Eine im Vergleich zum modernen Süden farb- und trostlos anmutende Welt. Die Wohngebäude scheinen in einem maroden Zustand zu sein, hinter blinden Fenstern lugen Menschen neugierig auf den vorbeifahrenden Buskonvoi.
Die Passanten tragen oft Einheitskleidung, einziges Fortbewegungsmittel ist das Fahrrad. Nicht nur Rohbauten zeigen den Mangel an Baumaterial an. Geschäfte sind als solche von außen nicht erkennbar, Privatautos gibt es keine, ebenso auch keine Fernsehantennen auf den Dächern. Geht die Fahrt durch Dörfer, scheinen diese kaum bewohnt zu sein, nur einige Hunde suchen Schutz vor Regen. Die Häuser sind in grauer Einheitsfarbe gestrichen. Dazwischen immer wieder Militär und ab und zu ein großes Wandplakat mit der Gestalt des großen Führers - das aber dann in Farbe.
Unsere Reisegruppe ist nun beim finalen Programmpunkt der nordkoreanischen Tagestour angelangt: Dem Mittagessen im Tongilgwan-Restaurant am Rande von Gaesong. In einer großen Halle werden den Gästen Spezialitäten der Region serviert, ein Menü mit 13 verschiedenen Zutaten in kleinen Schalen aus Messing, dazu gibt es Reis. Auch das kann man als gespenstisch empfinden, weiß man, dass die Versorgungslage mit Lebensmitteln in Nordkorea zwischendurch immer wieder äußerst kritisch ist.
Doch die Stimmung bei den Tagesbesuchern aus Südkorea ist nicht gedrückt, sie freuen sich, überhaupt einmal wieder nordkoreanischen Boden betreten zu haben. Im Souvenirladen des Restaurants gibt es für jeweils einen Dollar nordkoreanischen Schnaps, getrocknete Glockenblumenwurzeln und Algen oder die Schriften des großen Führers zu kaufen.
Kontrolle aller Fotos bei der Rückreise
Die Rückreise kurz vor 16 Uhr geht wieder durch die entmilitarisierte Zone zum nordkoreanischen Kontrollgebäude. Alle Teilnehmer der Tagestour müssen ihre Kameras vorzeigen und die Grenzsoldaten kontrollieren die digitalen Bildspeicher. Was nicht genehm ist, muss gelöscht werden, es droht gar eine Geldbuße von 500 Dollar. Schließlich erreicht der Buskonvoi die südkoreanische Seite des asiatischen Eisernen Vorhangs.
Für Herrn Ching hat sich die Reise gelohnt: "Ich konnte noch einmal die alte Heimat wiedersehen", sagt er lächelnd. Natürlich hätte er gerne Kontakt mit den Menschen in Nordkorea gehabt, hätte gerne mit ihnen gesprochen, aber es war so, wie er es realistisch erwartet hatte. Die gezeigten Sehenswürdigkeiten sind für ihn wie für die meisten Tourteilnehmer dabei eher zweitrangig.
Frank aus Neuseeland ist hingegen einer der 1,2 Prozent ausländischer Besucher, die bisher gezählt wurden. Für ihn war der Trip in einen der letzten kommunistischen Staaten zwar interessant, aber auch "sehr deprimierend". Der 31-Jährige ist einer der vielen muttersprachigen Englischlehrer in Südkorea, arbeitet hier seit zweieinhalb Jahren und wollte sich die Gelegenheit zu einem Besuch jenseits des Stacheldrahtes nicht entgehen lassen. "Jetzt",sagt er, nachdem wir auf der Rückfahrt den letzten Kontrollposten passiert haben, "bin ich wieder froh, im Süden zu sein".
Informationen für Reisen nach Nordkorea |
Die Eintagestouren in die nordkoreanische Stadt Gaeseong, kosten 180.000 Won (rund 155 Euro) pro Person. Im Preis enthalten sind die Transportkosten, ein Mittagessen und eine Gebühr, die an Nordkorea abgeführt wird, um die Tourguides sowie die Instandhaltung der historischen Stätten zu bezahlen. |
Der Tagesttrip beginnt um 7 Uhr im Transit-Gebäude von Doransan, knapp eine Autostunde nördlich von Seoul. Für die Einreise nach Nordkorea muss zehn Tage vorher ein Passbild sowie eine Kopie des Reisepasses abgegeben werden. Die Touren werden in Seoul organisiert durch: |
Korea Tourism Organization (KTO) |
40, Cheongyecheonno, Jung-Ju, Seoul |
www.tour2korea.com |
Hyundai Asan |
Hyunda Building, 12th floor, 140-2,Gye-dong, Jongno-gu, Seoul |
www.mtkumgang.com |